: Endlich alles heimgezahlt
Der Meister der Herzen schlägt den Meister der letzten Minute mit 5:1. Bei Trainer Huub Stevens steigert der Sieg gegen Bayern die Aussicht, das Ende der Saison auf der Schalker Bank zu erleben
auf Schalke HOLGER PAULER
Selten sah man Huub Stevens nach einem Spiel so gelöst. Hier ein Smalltalk, dort noch ein Interview. „Der Schrecken aller Journalisten“, wie der Schalker Trainer kürzlich im DSF etwas übertrieben genannt wurde, machte seinem Namen keinerlei Ehre – und das ist auch gut so, möchte man dem künftigen Berliner hinterherrufen. Dort, in der Hauptstadt, weht bekanntlich ein anderer Wind als im Medienentwicklungsland Ruhrpott, und langsam wird es Zeit, sich darauf einzustellen. Was dem manchmal etwas mürrisch wirkenden Holländer Tag für Tag besser gelingt.
Doch dieser Sinneswandel war nicht allein ausschlaggebend für die gute Laune am Samstag um viertel nach fünf. Eher schon das 5:1 gegen den FC Bayern München. Ein Ereignis, welches man – wenn überhaupt – nur alle zehn Jahre mal erlebt –und das dann auch noch gegen die Mannschaft, die einem den größten Erfolg der Karriere versaut hat. Das ist bestimmt Grund genug, sich mal richtig gehen zu lassen. Huub Stevens berauschte es aber vor allem, dass nun alle Spekulationen darüber, ob er das Saisonende überhaupt noch auf der königsblauen Trainerbank erleben werde, erst einmal zurück in die Giftschränke wandern können. „Die Spieler haben auf dem Platz die richtige Antwort gegeben“, sagte Stevens, „so ein Spiel hätte uns jetzt doch niemand mehr zugetraut.“ Etwas Wehmut klang dabei mit, doch die Genugtuung überwog.
Natürlich konnte sich Stevens zum Start keinen besseren Gegner wünschen als den FC Bayern. Die Meisterschaftsentscheidung vom letzten Jahr ist längst nicht vergessen und wirkte wie zigfaches Doping auf Fans und Mannschaft. Ebbe Sand sprach von einer „gelungenen Revanche, die wir uns wochenlang gewünscht hatten“. Und tatsächlich waren es die Erinnerungen, die das Spiel prägten, vor allem auf Schalker Seite. „Diese Leistung erinnert mich stark an die letzte Spielzeit“, meinte Andreas Möller.
Es war die bloße Präsenz des Meisters, welche in der gesamten Mannschaft längst vergessen geglaubte Tugenden wieder erweckte. Jörg Böhme spielte so, als hätte es das letzte halbe Jahr, an dessen Ende er von Manager Rudi Assauer aufgefordert wurde, sich doch gefälligst einen neuen Verein zu suchen, nicht gegeben. Kapitän Tomasz Waldoch strahlte die alte Sicherheit aus. Und Emile Mpenza und Ebbe Sand zeigten nicht nur beim Doppelpass vor dem 2:0, weshalb sie in der vergangenen Saison das erfolgreichste Stürmerduo der Liga waren. Überhaupt: Mpenza und Sand sind das Sinnbild für die verkorkste Hinrunde. Sand war zu Saisonbeginn verletzt, dann verletzte sich Mpenza und wurde später gar vom Dienst suspendiert. Schalke musste praktisch bis Samstag auf seinen Erfolgssturm verzichten. Jetzt, da beide wieder vollkommen genesen sind, stehen die Zeichen für eine versöhnliche Rückrunde nicht schlecht.
Im Gegensatz zu den Schalkern machten die Münchner gnadenlos dort weiter, wo sie anno 2001 aufgehört hatten: eine niederschmetternde Zweikampfbilanz, fast keine Torchancen, nur etwas geschönt durch Michael Tarnats frühen Platzverweis. „Diese Leistung war eine Beleidigung für den Verein“, sprach Bayern-Vize Karl-Heinz Rummenigge deutliche Worte. Manager Uli Hoeneß mochte sich erst gar nicht äußern: „Besser, ich schlafe eine Nacht darüber, bevor ich noch etwas Unüberlegtes sage“.
Sieben Spiele ohne Sieg, acht Punkte Rückstand auf Bayer Leverkusen, Gegner im nächsten Heimspiel. Trainer Ottmar Hitzfeld hat sich vorsichtshalber schon einmal von seiner schwammigen Schönrederei verabschiedet. „Wir müssen am nächsten Wochenende den Abstand zu Leverkusen verringern“, stellte er durchaus korrekt fest. Heißt übersetzt: Ein Sieg muss her, oder die Meisterschaft ist gelaufen.
Von der Meisterschaft redet auf Schalke schon lange keiner mehr. Nicht von der verpassten und auch nicht von der aktuellen. „Wenn wir so weiterspielen, ist Platz drei drin“, sagt Ebbe Sand. Das nächste Spiel gegen Mönchengladbach wird jedenfalls zeigen, was für die Schalker unter Huub Stevens noch möglich ist. Und wenn die Sache gut ausgeht, sind Trainertauschaktionen demnächst vielleicht das ganz große Ding im Profifußball. Danke Huub!
Schalke 04: Reck - van Hoogdalem, Waldoch, Matellan - Oude Kamphuis, Nemec (82. Kmetsch) - Wilmots (81. Asamoah), Möller, Böhme - Sand, Mpenza (85. Vermant)Bayern München: Kahn - Sagnol, Robert Kovac, Linke, Tarnat - Thiam, Effenberg, Jeremies (67. Fink) - Scholl (81. Hagreaves) - Elber (68. Pizarro), Santa Cruz Zuschauer: 60.683; Tore: 1:0 Mpenza (34.), 2:0 Sand (35.), 2:1 Scholl (49.), 3:1 Böhme (54.), 4:1 van Hoogdalem (75.), 5:1 Oude Kamphuis (90.)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen