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Religion im Spiegel der Kunst

Auftakt der Serie über Objekte des Museums für Islamische Kunst. Die Kaschan-Gebetsnische weckt gemischte Gefühle

„Laa-llah-illaa-llah oder lalala?“ Jana, Schülerin der sechsten Klasse aus Fürstenwalde, findet, dass das muslimische Glaubensbekenntnis komisch klingt. Wie es richtig heißt, erfährt sie im Museum für Islamische Kunst Berlin bei einer Führung zu den fünf Säulen des Islam. Dort stehen die Worte „La allah illa allah – wa muhammad rusul allah“ auf einer Gebetsnische aus Kaschan. „Es gibt keinen Gott außer den einen Gott – Mohammed ist der Prophet Gottes“, lautet die Übersetzung des ersten Teiles. Die Schülerin lernt, dass sich die Muslime damit zu einem strikten Monotheismus bekennen. Der zweite Teil des Gebetes „Und Mohammed ist sein Prophet“ begründet die Verehrung Mohammeds als Nachfolger der biblischen Propheten.

Auch die Alevitin Halima aus Neukölln hat mit diesem Bekenntnis Probleme, allerdings ganz anderer Art. Jeder Lehrbuchbeschreibung zum Trotz, in denen das Glaubensbekenntnis als einzige der fünf Säulen des Islam hervorgehoben wird, das für alle islamische Glaubensrichtungen gilt, kommt für Halima ein Bekenntnis zu ihrem Glauben nicht in Frage.

„Natürlich glaube ich an den einen Gott, Allah“, bekundet Halima, die seit 26 Jahren in Deutschland lebt und einen deutschen Pass besitzt. Doch vor einem öffentlichen Bekenntnis habe sie Angst. „Das kommt vielleicht daher“, so Halima, „dass Ali, der von den Aleviten besonders verehrte Schwiegersohn Mohammeds, hinterrücks beim Gebet erstochen wurde.“ Ähnlich sitzt den von der türkischen Religionspolitik verfolgten anatolischen Aleviten der Dolch im Nacken.

Religionsgeschichtlich betrachtet ist das Alevitentum ein Zweig des schiitischen Islam. Im Gegensatz zu diesem und zum orthodoxen sunnitischen Islam ist es jedoch keine Gesetzesreligion, die das gesellschaftliche Leben regelt, sondern eine „innere“, „verborgene“. In einer öffentlichen Moschee war Halima deswegen noch nie. „Ich weiß nicht, was ich fühlen würde, wenn ich in so ein Haus reinginge“, sagt sie.

Hin- und hergerissen zwischen Angst und Interesse vermeidet Halima den Kontakt mit der Kultur des Islam. Einen Mihrab kennt die Alevitin nur aus dem Islamischen Museum. Dort hat sie neulich die Nische aus Kaschan, dem heutigen Iran, gesehen. Farbenprächtig und schön sei der Mihrab, doch immer beschleiche sie bei der Beschäftigung mit islamischer Kultur ein seltsames Gefühl.

In der Moschee wird dem Gläubigen mit der Nische die Gebetsrichtung angezeigt. Auf dem Mihrab aus Kaschan befindet sich das Glaubensbekenntnis im Zentrum, also zwischen den Kapitellen der beiden großen Säulen. Blaue Schriftbänder im Rahmen fordern den Lesekundigen zum Gebet auf. Einer der beliebtesten Verse aus dem Koran, der „Thronvers“, preist die Allmacht Gottes.

Der auf das Jahr 1226 datierte Mihrab kommt aus der schiitischen Maidan-Moschee, die 260 Kilometer südlich von Teheran liegt. Obwohl an sich flach, weist er die Nischenform ornamental durch die dreimalige Staffelung im Innern auf und preist die Schönheit des Islam mit goldglänzenden Fliesen.

„Die Gebetsnische gleicht einer Tür“, so der Museumsdirektor Professor Claus-Peter Haase, „die Innen und Außen, Himmel und Erde, Politik und Glaube verbindet“. Arabesken und Palmettranken erzeugen den Eindruck, als liege dahinter ein paradiesischer Garten.

Beim Blick auf den Mihrab bleibt Halima skeptisch: „Ich glaube, ich würde mich verraten, wenn ich mich zum Islam bekenne.“ SUSAN KAMEL

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