: Verbotsverfahren gegen prokurdische Hadep
Türkischer Generalstaatsanwalt bezichtigt Partei der Zusammenarbeit mit der PKK. Massive Repressionen gegen Hadep-Funktionäre und Studenten
ISTANBUL taz ■ Das 1999 vom türkischen Generalstaatsanwalt beantragte Verbotsverfahren gegen die prokurdische Partei Hadep hat in der vergangenen Woche in Ankara begonnen. Die Staatsanwaltschaft am Verfassungsgericht wirft der Hadep vor, ein Instrument der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) zu sein und die Einheit des Landes zerstören zu wollen.
Besonders während eines Parteitages sollen Reden zur Unterstützung des inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan gehalten und die Gründung eines eigenen Staates gefordert worden sein. Das Gericht setzte das Verfahren nach dem Auftakt für einen Monat aus, um dem Hadep-Chef Murat Bozlak Zeit zu geben, eine Verteidigungsrede vorzubereiten.
Der Auftakt des Verfahrens fällt just mit einer neuen Repressionswelle gegen Kurden zusammen. Am vergangenen Wochenende wurden über 100 Hadep-Anhänger bei Demonstrationen zum Gedenken an das Verschwinden zweier führender Hadep-Fünktionäre vor einem Jahr verhaftet. Bereits zuvor hatte die Polizei dutzende Studenten verhaftet, die mit mehreren hundert anderen Hochschülern an ihren Universitäten Petitionen eingereicht hatten, in denen sie Unterricht in kurdischer Sprache forderten. Die Studenten beriefen sich in ihren Briefen an die Universitätsleitungen auf eine Änderung der Verfassung, nach der der Gebrauch von Kurdisch in den Medien nicht mehr verboten sein soll. Nach Auffassung von Innenminister Yücelen sind die Petitionen eine gezielte Kampagne der PKK, die strikt unterbunden werden müsse.
Die massiven Reaktionen zeigen, dass der größte Teil der politischen Führung im Umgang mit der kurdischen Minderheit zu keinen Konzessionen bereit ist. Verschiedene Kommentatoren beklagten, dass die Regierung die zwei Jahre, seit denen die PKK ihren bewaffneten Kampf offiziell beendet hat, nicht zu einer Besserung der Lage im Südosten des Landes genutzt habe. Gerade 770 Häuser seien aufgebaut und lediglich 30.000 Leuten die Rückkehr in ihre Dörfer gestattet worden, aus denen sie während des Krieges vertrieben worden waren: nicht viel angesichts von 3.000 zerstörten Dörfern und hunderttausenden Vertriebenen.
Das Verbotsverfahren gegen die Hadep soll am 1. März fortgesetzt werden. Die Abgeordneten der DEP, eine Vorgängerpartei der Hadep, die Mitte der 90er-Jahre verboten wurde, darunter Leila Zana, sitzen noch im Knast. Ein kürzlich vorgebrachter Aufruf des Anap-Abgeordneten aus Diyarbakir, die vier Exabgeordneten freizulassen, fand keine Resonanz. JÜRGEN GOTTSCHLICH
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