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„Seine Enttarnung trifft mich unvorbereitet“

NPD-Präsidiumsmitglied Frank Schwerdt hat zwar mit Spitzeln in den eigenen Reihen gerechnet. Doch das Misstrauen in der Partei wächst

BERLIN taz ■ Neben Jubel herrscht derzeit auch Verunsicherung bei der NPD. Nach den jüngsten Enttarnungen hochrangiger Funktionäre als Verfassungsschutzinformanten tagte am Sonntag das Präsidium der rechtsextremen Partei hinter verschlossenen Türen. Man wolle versuchen, Motivation und Konsequenzen „zu ergründen“, sagte NPD-Präsidiumsmitglied Frank Schwerdt gegenüber der taz.

In den letzten Tagen hatte Parteichef Udo Voigt immer wieder siegessicher behauptet, die Aussetzung des Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht werde den „Führungsanspruch“ der NPD im „nationalen Lager“ stärken. NPD-Anwalt Horst Mahler kündigte darüber hinaus an, Strafanzeige gegen einen Abteilungsleiter des Innenministeriums wegen Verrats von Dienstgeheimnissen zu erstatten.

Doch nachdem der nordrhein-westfälische NPD-Landesvorsitzende Udo Holtmann nun ebenfalls zugeben musste, seit drei Jahrzehnten für den Verfassungsschutz gearbeitet zu haben, macht sich neben der Erwartung, ungestört in den Bundestagswahlkampf ziehen zu können, auch Unruhe breit. Frank Schwerdt, selbst seit über fünfzehn Jahren am Aufbau immer neuer rechtsextremer Gruppierungen beteiligt, behauptet zwar, er habe „damit gerechnet, dass Leute aus der Partei solchen Tätigkeiten nachgehen“. Gleichzeitig erklärte er aber, ihn hätten die jüngsten Enttarnungen „unvorbereitet“ getroffen.

Die NPD steckt im Dilemma. Einerseits will man sich gegenüber der Öffentlichkeit als Nutznießerin der Krise präsentieren. Gleichzeitig gilt es die eigene Anhängerschaft zu beruhigen. So wird etwa behauptet, sowohl Frenz als auch Holtmann hätten sich schon vor Jahren gegenüber Gesinnungsgenossen offenbart. Doch insbesondere bei jüngeren Rechtsextremisten – inzwischen die Mehrheit der Parteimitglieder – stößt der Umgang der Parteiführung mit den V-Männern auf Misstrauen.

Parteichef Udo Voigt will in den nächsten Tagen das verunsicherte Fußvolk in einem Rundbrief umfassend informieren. Richtungweisend für das Schicksal der NPD wird dann der Parteitag im März sein. Bis dahin will die NPD weitermachen wie bisher: „Natürlich“ werde man die Demonstrationen gegen die Wehrmachtsausstellung fortsetzen, sagte Schwerdt der taz. Er verwies auf den geplanten Aufmarsch am 2. Februar in Bielefeld, angemeldet vom nordrhein-westfälischen NPD-Landesverband. Geworben wird dafür unter anderem mit einem Auftritt des letzten Vorsitzenden der verbotenen FAP, Friedhelm Busse.

Für den Aufmarsch in Bielefeld mobilisieren auch die militanten Freien Kameradschaften, die sich bislang zurückhaltend zu den NPD-Affären äußern. Gemeinsamer Nenner sind lediglich Verschwörungstheorien. So spekuliert das „Norddeutsche Aktionsbüro“, bei der Enttarnung von Frenz & Co. handele es sich um ein „Ablenkungsmanöver“, mit dem „viel bedeutendere aktive Spitzel in der NPD“ geschützt werden sollen. Die Enttäuschung vor allem jüngerer Rechtsextremisten über den Doppelkurs der NPD wollen die Freien Kameradschaften offenbar ausnutzen. Seit Beginn des Verbotsverfahrens warten sie darauf, die älteste rechtsextreme Partei zu beerben und die Führung im rechten Lager zu übernehmen.

Für das Entertainment der Szene wird derweil weiterhin gesorgt. Zum Beispiel am Samstag in Saßnitz auf Rügen. Dort konnten über 200 Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet unter den Augen der Polizei bei einem Skinkonzert die derzeit wichtigsten Live-Bands der Neonaziszene bejubeln. HEIKE KLEFFNER

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