FÜR AFRIKA IST DIE FIXIERUNG DER WELT AUF DEN IRAKKONFLIKT FATAL: „Failed states“ werden allein gelassen
Im Januar 2001 wird im Kongo Präsident Laurent-Désiré Kabila umgebracht; im Februar 2002 stirbt in Angola Rebellenchef Jonas Savimbi auf dem Schlachtfeld; im März 2003 verjagen Rebellen in der Zentralafrikanischen Republik die Regierung von Ange-Felix Patassé. Die Warlordführer Zentralafrikas verschwinden, einer nach dem anderen. Vor ihrem Tod galten sie international allesamt als Übeltäter, die westlichen Interessen zuwiderhandelten und ihre Länder in „failed states“ verwandelten. Man mag sich also fragen, in wessen Auftrag sie gestürzt worden sind. Aber auch ohne eine Antwort darauf ist sicher: In dieser Kette von zerfallenen Staaten wird aufgeräumt.
Zu den weltpolitischen Veränderungen nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 gehörte eine neue Bedrohungsanalyse über Staatszerfall. Nicht starke, sondern schwache Staaten seien die größte Bedrohung für den Weltfrieden, heißt es unter anderem in der neuen US-Sicherheitsstrategie von 2002. Im Namen dieser Doktrin fand der Regimewechsel in Afghanistan statt, und die G-8-Staaten widmeten sich erstmals dem Wiederaufbau und der Befriedung Afrikas.
Die Fixierung der Welt auf die Konfrontation zwischen George Bush und Saddam Hussein hat diese Fortschritte im weltpolitischen Diskurs wieder zunichte gemacht. Für Afrikas Krisenregionen war das fatal. Von Sudan und Somalia über die Demokratische Republik Kongo bis Burundi sind Befriedungsversuche auf halbem Wege stecken geblieben. Gegen Diktatoren wie in Simbabwe erlahmte der Druck, für junge Demokratien wie in Nigeria ließ die Förderung nach. Und in einer Reihe von Ländern wie eben der Zentralafrikanischen Republik durften Krisen eskalieren.
So endet das Aufräumen in einer Sackgasse. Das Alte – Kabila, Savimbi, Patassé – hinwegfegen ist eine Sache; etwas Neues aufbauen ist eine andere. Angolas siegreiche Regierung, neuer strategischer Partner der USA in der Region, wird weder zu politischen Reformen noch zu transparenterem Umgang mit seinen Ölmilliarden angehalten. Kongos Warlords schließen zwar Frieden miteinander, aber niemand drängt sie zur Umsetzung ihrer Abkommen oder kümmert sich um die Bevölkerung dieses zerrissenen Landes. Und dass die Zentralafrikanische Republik unter ihrem neuen Herrscher Bozizé ein funktionierender Staat wird, ist wenig wahrscheinlich, wenn schon seine Machtergreifung mit dem Gewehr kommentarlos hingenommen wird. DOMINIC JOHNSON
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen