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Schlichte Rechnung

Hamburger Frauenhäuser müssen nach Plänen der Sozialbehörde die Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt bezahlen und fürchten jetzt um eine ihrer Einrichtungen. Kritik an der Auswahl des Interventionsträgers „Sozialpädagogik und Segeln“

von EVA WEIKERT

Die in Hamburg geplante Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt soll auf Kosten der sechs Frauenhäuser finanziert werden. Damit die Sozialbehörde mit dem Geld die neue Beratungsstelle bezahlen kann, sollen die Frauenhäuser im nächsten Jahr 250.000 Euro einsparen. „Das steht klipp und klar im Haushaltsplan“, sagte Oliver Kleßmann, Sprecher der Sozialbehörde, der taz. Die Frauenhäuser befürchten jetzt die Schließung eines Hauses. Die frauenpolitische Sprecherin der GAL-Fraktion, Verena Lappe, zeigte sich empört: „Bei den Frauenhäusern zu sparen, geht am Bedarf vorbei.“

Im Haushalt 2004 sind für die Interventionsstelle laut Behörde 256.000 Euro veranschlagt. Im November soll sie ihre Arbeit aufnehmen, nahezu zwei Jahre nach Inkrafttreten des so genannten Gewaltschutzgesetzes. Nach diesem Gesetz können Männer, die ihre Partnerinnen misshandeln, aus der gemeinsamen Wohnung gewiesen werden. Die Frauen können sich für Rechtsfragen und Hilfe an die Intervention wenden.

„Die Stelle funktioniert wie eine Schleuse“, erklärte Frauenpolitikerin Lappe und warnte: „Den Bedarf an Plätzen für Frauen, die an Leib und Leben bedroht sind, reduziert sie aber nicht.“ Marion Klußmann vom 1. Hamburger Frauenhaus sagte: „Die Interventionsstelle ist eine wichtige Ergänzung. Sie richtet sich aber an einen anderen, weniger stark bedrohten Kreis von Frauen.“ Seit Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes am 1. Januar 2001 sei die Zahl der Frauenhaus-Bewohnerinnen in Hamburg konstant geblieben. „Wir sind voll ausgelastet“, sagte Klußmann. Oftmals komme es vor, dass keine Betten mehr frei seien und Frauen und Kinder auf dem Fußboden schlafen müssten.

Zugleich kritisierte Klußmann die Wahl des Trägers der Interventionsstelle als „unverständlich“. Die Jugendhilfe-Einrichtung „Sozialpädagogik und Segeln“ habe keinerlei Erfahrung in der Arbeit mit Frauen, die Opfer von Gewalt wurden. Das sah Lappe genauso: „Die sind in der Szene nicht zu Hause.“

Die grüne Politikerin ist der Ansicht, dass sich der Andrang auf die Frauenhäuser trotz Gewaltschutzgesetz und Interventionsstelle höchstens langfristig senken wird. In der kürzlich erfolgten Weisung der Sozialbehörde an die Frauenhäuser, Ausländerinnen mit Duldungsstatus in Zukunft die Tür zu weisen und die Namen aller Bewohnerinnen herauszugeben (taz berichtete), sieht sie einen zusätzlichen Versuch der Behörde, „die Nachfrage künstlich zu reduzieren“.

Um zu überprüfen, ob die Frauenhäuser voll ausgelastet sind, will die Sozialbehörde die Namen der Bewohnerinnen erfahren. Die Frauenhäuser sehen durch die Veröffentlichung ihre Arbeit gefährdet und haben sich deshalb an den Datenschutzbeauftragten der Stadt gewandt. „Wir prüfen das Vorhaben zur Zeit und haben schon Bedenken angemeldet“, sagte Datenschützer Detlef Malessa. „Für rein statistische Zwecke muss der Name nicht erfasst werden. Um das Ziel der Behörde zu erreichen, gibt es andere Verfahren.“ Nur im begründeten Einzelfall dürften Personendaten erfasst werden, etwa wenn Frauen die Unterkunft durch Umzüge missbrauchten, wie die Behörde laut Malessa argwöhnt.

Solche Vorwürfe wies Frauenpolitikerin Lappe als „idiotisch“ zurück. „Die waren wohl noch nie in einem Frauenhaus“, sagte Lappe. „Da bleibt keine Frau länger als nötig.“ 85 Prozent der Bewohnerinnen zögen innerhalb von drei Monaten wieder aus. Lappe sagte: „Das ist kein Erholungsheim.“

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