piwik no script img

WM wird zur EM

Nach dem 3:0-Sieg gegen Titelverteidiger USA spielen die deutschen Fußballerinnen am Sonntag im WM-Finale gegen Schweden

aus Portland RAINER HENNIES

Am Ende stand die Sensation. Außenseiter Deutschland schlägt im Halbfinale der Frauenfußball-WM den Titelträger USA im eigenen Land mit 3:0 und zieht ins Endspiel ein. Gegner am 12. Oktober in Carson/Los Angeles ist Schweden, das sich mit 2:1 gegen Kanada durchsetzte. Damit kommt es zur Neuauflage des EM-Finales von 2001, als die DFB-Elf Schweden per Golden Goal besiegte.

Nachdem alle drei Medaillengewinner von 1999 ausgeschieden sind, ebenso der WM-Vierte und Olympiasieger Norwegen, erlebt die WM ein Finale, das nur wenige auf ihrer Rechnung hatten. Die Deutschen stehen nach 1995 das zweite Mal im Endspiel. Damals verloren sie in Stockholm mit 0:2 gegen Norwegen. Doch jetzt gilt das Team von Trainerin Tina Theune-Meyer sogar als Favorit. Optimistisch sind allerdings auch die Schwedinnen. „Deutschland ist gut, aber wir sind es auch“, sagt Stürmerin Victoria Svensson.

Beim Halbfinalsieg gegen die USA stimmte alles im DFB-Ensemble, das früh mit 1:0 in Führung ging. „Es ist schwer, gegen solch ein Team einen Rückstand aufzuholen“, sagte Starspielerin Mia Hamm. „Es gibt kein besseres Team hier“, lobte Tiffeny Milbret, die in der 70. Minute als vierte Angreiferin der USA eingewechselt wurde. Für eine Verteidigerin. Den Amerikanerinnen blieb nicht anderes mehr als der finale Versuch: hopp oder topp. Am Ende standen Tränen in den Gesichtern des US-Teams. Vor allem Mia Hamm kämpfte schwer gegen die drohende Flut und Trainerin April Heinrichs’ Stimme wurde im Pressegespräch immer dünner und brüchiger. „Wir haben alles gegeben. Ein 1:1 hätte das Spiel gekippt. Ich habe meiner Kollegin Tina Theune-Meyer auf dem Feld gratuliert und ihr gesagt: Geht jetzt raus in Carson und macht das Spiel und holt euch den Titel.“

Danach wurde Heinrichs pathetisch. Sie sprach vom besten Spiel in der Geschichte des Frauenfußballs und lobte Amerikas Qualitäten als Gastgeber, Vorreiter und Vorbild: „Meine Spielerinnen haben sich entschuldigt, bei mir, bei den Fans, bei allen und beim Fußball in Amerika, das es nicht geklappt hat mit dem Finale.“

Der Erfolg war keineswegs unverdient, auch wenn es ein Arbeitssieg war, der lange auf der Kippe stand. Die Europameisterinnen traten vor 27.623 Zuschauern im ausverkauften Stadion von Portland gegen den Weltmeister selbstbewusst auf und versuchten, mit ausgeprägter Defensive die spielerische Übermacht der Gegnerinnen in den Griff zu bekommen. Ariane Hingst und Sandra Minnert in der zentralen Abwehr sowie Kerstin Stegemann und Steffi Gottschlich in der Außenverteidigung ließen kaum Torchancen des hoch gelobten US-Angriffs zu. Was dennoch durchging, hielt Silke Rottenberg, die anschließend zur Spielerin des Matches gewählt wurde, mit Bravour.

Das Kopfballtor von Kerstin Garefrekes zum 1:0 nach einem Eckball in der 15. Minute, bereits der vierte WM-Treffer der Newcomerin aus Rheine, welche die Entdeckung schlechthin im deutschen Team ist, gab zusätzlichen Auftrieb. Insbesondere nach der Pause wehrte sich das deutsche Team aber auch mit Glück. Hinten hielt Rottenberg die Führung fest, nach vorne konterten die Europameisterinnen gefährlich. Den K.o. versetzten sie dem US-Team aber erst durch die Treffer von Meinert und Prinz in der Nachspielzeit, als die Amerikanerinnen die Abwehr völlig aufgelöst hatten. „Wir wussten, das wir besser sind“, jubelte Birgit Prinz, „ausschlaggebend war unsere Stärke als Team.“ Torhüterin Rottenberg strahlte: „Endlich konnte ich mich einbringen und etwas zurückgeben. Das war bei den leichten Spielen bisher ja kaum möglich. Ich bin überglücklich, das wir im Finale stehen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen