SYRIENS GANG ZUM SICHERHEITSRAT DIENT NUR DER DOKUMENTATION
: Damaskus ist wehrlos

Seit zwei Jahrzehnten war es zumindest militärisch zwischen Israel und Syrien ruhig – warum ausgerechnet jetzt Israels Angriff auf den Nachbarn? Die Antwort: Weil es einfach ist: Damaskus hat jedem Angriff auf seine Souveränität wenig entgegenzusetzen – und Israel hat die USA auf seiner Seite.

Noch nie war Syrien so verwundbar wie heute. Das Land ist eingeklemmt zwischen dem israelischen Erzfeind, der immer noch die syrischen Golanhöhen als Faustpfand in den Händen hält, und den neuen Nachbarn, den 148.000 US-Soldaten im Irak. Dazwischen hat Damaskus wenig zu melden, zumal diese beiden Nachbarn im Namen des Antiterrorkampfes noch mehr zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschmolzen sind als je zuvor.

Israel wirft Syrien vor, die Hisbullah und radikale Palästinensergruppen in Damaskus zu unterstützen. Beides sind alte Karten, die Syrien im Nahostpoker gerne ausgespielt hat. Auf der anderen Seite rufen die Neokonservativen in Washington seit dem Irakkrieg immer mal wieder gerne „Syria next!“, während die US-Regierung gerne öffentlich Vermutungen äußert, Damaskus sei direkt in den irakischen Widerstand gegen die US-Besatzung verwickelt. Man kann darüber spekulieren, inwieweit US-Präsident Bush dem israelischen Premier Ariel Scharon grünes Licht gegeben hat, seine Kampfflugzeuge in die unmittelbare Nachbarschaft der syrischen Hauptstadt zu schicken. Laute Proteste gegen Israels Vorgehen gab es aus Washington jedenfalls nicht. Tatsache ist, dass ein Schlag gegen Syrien ein wunderbares und billiges Ablenkungsmanöver ist: Scharon kann den Blick darauf verstellen, dass er trotz Mauerbau und stärkstem Militär in der Region nicht für israelische Sicherheit sorgen kann. Und Bush darf hoffen, dass die Welt für ein paar Tage nicht über tote US-Soldaten im Irak spricht.

Das Beste dabei ist: Syrien kann sich nicht wehren. Sein marodes, überaltertes Militär ist weder für die israelische Armee noch für die US-Truppen im Irak ein ernst zu nehmender Gegner. Seine politischen Karten Hisbullah und radikale Palästinenser sind seit dem 11. September nichts mehr wert. Und der Gang zum Sicherheitsrat dient nur noch zu Dokumentationszwecken, denn jeder weiß, wer dort den Ton angibt. Schon 26-mal hat Washington bisher bei Resolutionen gegen Israel sein Veto eingelegt. Was Damaskus bleibt, ist die Warnung vor einem Flächenbrand in Nahost. Aber die hat bekanntlich schon lange niemanden mehr vor irgendetwas abgehalten. KARIM EL-GAWHARY