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Gentechnik mit dem Segen des Papstes

Zunächst war die Kirche „generell“ skeptisch gegenüber Gen-Forschung. Jetzt finden Vertreter Roms: Man müsse unterscheiden zwischen Forschung am Menschen und an „Flora und Fauna“. Papst will sich im Herbst dazu äußern

HANNOVER taz ■ Der „Goldene Reis“ hat es Bischof Elio Sgreccia angetan. Der Vizepräsident der Päpstlichen Akademie für das Leben schwärmte jüngst von dem Getreide als gutes Beispiel dafür, dass nicht jedes genetisch manipulierte Lebensmittel zu verteufeln sei. Erblindungen könne er verhindern, andere Laborsorten den Hunger in der Welt beheben helfen. Der Reis, der mit Vitamin A angereichert sein soll, könne in an Carotin armen Regionen wie China sehr nützlich sein. Sgreccias Haltung ist neu, aber in der katholischen Kirche nicht mehr selten. Nach Jahren offizieller Skepsis zeichnet sich im Vatikan ein Meinungsumschwung zugunsten von Gentechnik in der Landwirtschaft ab. Für Herbst ist, so ist aus Vatikankreisen zu hören, ein einschlägiges Dokument des Papstes geplant. Konsens aber ist die neue Linie längst noch nicht.

Vor fünf Jahren noch hatte Papst Johannes Paul II. grundsätzlich vor den Folgen schrankenloser Gen-Forschung gewarnt. Jetzt wird im Vatikan scharf getrennt. Gentechnik in Flora und Fauna sei schlicht anders zu bewerten als Gentechnik am Menschen, sagt Sgreccia, quasi Bioethik-Minister im Vatikan. Und Raffaele Martino, Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, besichtigte auf Einladung des US-Landwirtschaftsministeriums die neuesten Gentech-Fortschritte in Kalifornien. Danach zeigte er sich begeistert: Es sei ein „Imperativ“, Modalitäten gegen den Hunger zu finden. Von Gentechnik müsse man daher mehr Gebrauch machen. Ähnlich äußerte sich kürzlich US-Präsident George Bush. Und Außenminister Colin Powell war zur Audienz in den Vatikan gereist. Hintergrund der regen vatikanisch-amerikanischen Kontakte könnten die zunehmenden Schwierigkeiten der USA sein, ihre gentechnisch veränderten Pflanzen in Ländern der Dritten Welt an den Mann zu bringen. Sambia hatte vergangenes Jahr trotz Hungersnot US-Schiffe mit gentechnisch verändertem Weizen wieder zurückgeschickt. Auch die katholischen Bischöfe auf der „Southern African Catholic Bishops’ Conference“ warnten: Genveränderter Mais kontaminiere über die Verbreitung der Samen die lokalen Pflanzen. „Dies wird die Bauern von den überseeischen Produzenten von Samen und Herbiziden abhängig und den Export nach Europa unmöglich machen“, so die Bischöfe in einer Erklärung. Das Geschäft mit der Not in Afrika wird von derlei Erklärungen bedroht. Jede Tonne gentechnisch veränderten Getreides, die von den USA aus verschifft wird, bringt der heimischen Agrarwirtschaft 55 Dollar ein.

Nicht nur in Rom, sondern auch im katholischen Deutschland freundet man sich mit der so genannten grünen Gentechnik an. Erzbischof Joachim Kardinal Meisner hält die grüne Gentechnik für „vielleicht“ geeignet, „den Hunger in der Welt wirksamer als bisher zu bekämpfen“. Weihbischof Nikolaus Schwerdtfeger aus Hildesheim besuchte im Mai mit einer Delegation katholischer Geistlicher die Kleinwanzlebener Saatzucht, einen weltweit operierenden Saatgutkonzern mit Sitz im niedersächsischen Einbeck. Begeistertes Fazit: „Menschen mit Herz, Verstand und Verantwortung“ seien mit der Pflanzenzucht befasst. Und der Mainzer Moraltheologe Johannes Reiter warb in der Zeitung Die Welt: „Wir sollten die Augen vor der grünen Gentechnik nicht verschließen.“

Harsche Kritik dagegen äußert der Sprecher des Zentrums für Ethik in den Wissenschaften, Dietmar Mieth. Der Professor für katholische Sozialethik an der Unversität Tübingen warnt Sgreccia und Martino: „Als Bischof sollte man nicht so anfällig für solche Werbung sein.“ Ebenfalls skeptisch zeigt sich Marcel Gervais, Erzbischof von Ottawa in Kanada. Gentechnisch verändertes Saatgut werde patentiert, diese Biopatentierung führe zu Zentralisierung. Um den Hunger zu bekämpfen aber brauche die Welt Dezentralisierung und freie Bauern. Und der Grazer Diözesanbischof Egon Kapellari mahnt: Die biblische Aufforderung „Macht Euch die Erde untertan“ sei „kein Freibrief für eine schrankenlose Ausbeutung der Natur“. VOLKER MACKE

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