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Pleiten & Pannen im VEB Musical

Bremen muss nach dem Scheitern von zwei Musical-Produktionen irgendwas mit dem Musical-Theater machen – denn der Leerstand würde die Stadt pro Jahr drei Millionen Euro kosten. Bremen setzt jetzt auf staatlichen Veranstaltungs-Betrieb

„Chancen für die Zweitvermarktung von First-Class-Musicalproduktionen“

aus BremenKLAUS WOLSCHNER

Es war im März 1996, da haben die Wirtschaftsförderausschüsse in Bremen beschlossen, das Bremer Musical-Projekt „Jekyll&Hyde“ zu subventionieren, diese Förderung aber auf maximal 1,7 Millionen Mark pro Jahr zu begrenzen. Laufzeit sollte 20 Jahre sein. Wirtschaftssenator war der ehemalige Hamburger CDU-Fraktinsvorsitzende Hartmut Perschau. Und der versicherte, natürlich sei der Betrieb eines Musicals ein rein privatwirtschaftliches Unternehmen mit großem Gewinn für die Stadt, die am Tourismus-Geschäft verdienen werde. Die Musical-Subvention galt als „Investition“.

Das ist lange Jahre her, „Jekyll&Hyde“ längst abgesetzt, das Musical-Theater in Bremen steht leer. Die leerstehende Immobilie verschlingt 869.000 Euro Miete und dazu 2,26 Millionen Euro für die Umbau-Finanzierung im Jahr, weil nicht der Hauseigentümer, sondern die Stadt einst den Umbau finanziert und damit das gesamte Risiko übernommen hatte.

Dieselben Wirtschaftsförderausschüsse, die damals die „stop-lost“-Grenze von 1,7 Millionen Mark beschlossen haben, stimmten kürzlich zu, als Wirtschaftssenator Perschau beantragte, dass die Stadt nun auch die Veranstaltungstechnik in dem toten Haus für 1,8 Millionen Euro kaufen und die Sozialplan-Kosten für „Jekyll&Hyde“ von 430.000 Euro rückwirkend übernehmen solle.

Dass der Staat die Immobilienkosten übernimmt, sei in der Branche üblich, rechtfertigte der Wirtschaftssenator sich gestern in einer Bürgerschaftsdebatte, dass der Betrieb eines Musicals die Immobilienkosten trage – „das geht nirgendwo“. Als alter Hamburger hätte er wissen können, dass das falsch ist: Bis auf das traditionelle „Operettenhaus“ sind alle Hamburger Musical-Spielstätten privat finanziert. Und wenn ein Musical nicht die Publikums-Resonanz hat wie jüngst „Titanic“ mit „nur“ 1.000 Zuschauern im Haus, dann wird es vom privaten Veranstalter durch ein neues Stück ersetzt. Subventionen für Musicals seien an der Elbe vollkommen unvorstellbar, versichert der Sprecher der dortigen Wirtschaftsbehörde, Christian Saadhoff.

Damit das leerstehende Musical-Theater in Bremen nicht bis zum Jahre 2017 – so lange laufen die Umbau-Kredite – nur kostet, könnte es doch für Veranstaltungen genutzt werden, fand der Wirtschaftssenator. Private Veranstalter aber interessieren sich nicht dafür: „Leerstehende Theaterimmobilien gibt es auch in Niedernhausen und Duisburg“, winkt der Sprecher des Hamburger Musical-Veranstalters „Stage Holding“ ab, in Bremen sei eben mit zwei Stücken bewiesen worden, dass das Umfeld nicht ausreiche.

Nun soll die Stadt über eine ihrer Tochterfirmen das Betriebsrisiko tragen, sagt der Wirtschaftssenator, nicht ohne einen weiteren kräftigen Zuschuss. Eine Konzeption gibt es dafür nicht, eine Kalkulation nur insoweit, als der Betrieb kostendeckend sein könnte, wenn an 120 Tagen im Jahr jeweils 1.000 Menschen im Saal wären. Das neue Angebot soll dabei keineswegs auf Kosten der bestehenden Säle – Stadthalle und Konzerthaus Glocke – gehen, verspricht Wirtschaftssenator Perschau. Der Vorteil eines staatlichen Betriebes liege eben darin, dass dies garantiert werden könne.

Gleichzeitig haben die Bremer Musical-Experten eine Trendwende im Musical-Geschäft festgestellt, die den etwas unbedarften Hamburger Veranstaltern bisher verborgen geblieben scheint: Der Markt befinde sich in einer „Konsolidierungsphase“, heißt es in dem Papier des Bremer Wirtschaftssenators: „Aus diesen geänderten Rahmenbedingungen ergibt sich für das Musicaltheater Bremen die Chance, sich zunächst als Zweitvermarktungsstandort für First-Class-Produktionen mit Laufzeiten von mehreren Wochen zu etablieren. Darüber hinaus besteht weiterhin die Chance, länger laufende Musicals für Bremen zu akquirieren, insbesondere wenn neue Produktionen ungebrochenes Zuschauerinteresse finden.“

Der grüne Wirtschaftspolitiker Klaus Möhle hatte gestern dafür in der Bremer Bürgerschaft nur Hohn und Spott übrig. Da werde, meinte er, vom VEB Musical „Pleiten, Pech und Pannen“ en suite gespielt.

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