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Warten auf Herrn Clement

Mit neuen Vorschlägen soll der Arbeitsminister den SPD-internen Kritikern bei der Hartz-Reform entgegenkommen. Auch die Opposition glaubt nicht mehr, dass die Regierung an den Abweichlern scheitert. Deshalb gibt sie sich kompromissbereit

aus Berlin ULRIKE HERRMANN

In der SPD herrscht Gefechtspause. Gestern wollten sich die parteiinternen Kritiker nicht äußern, ob sie den Arbeitsmarktreformen nun zustimmen werden oder nicht. Man führe Gespräche, beschied Sigrid Skarpelis-Sperk knapp. Und Klaus Barthel will sich erst entscheiden, wenn die endgültigen Gesetzentwürfe „schwarz auf weiß“ vorliegen. Sie werden Anfang nächster Woche beschlossen, nachdem die rot-grünen Fraktionen zu Sondersitzungen zusammengekommen sind.

Obwohl also die Kanzlermehrheit weiterhin wackeln könnte bei der Abstimmung im Bundestag am 17. Oktober, ging es gestern im Wirtschaftsausschuss gelassen zu während der Anhörung zu den Arbeitsmarktgesetzen „Hartz III“ und „Hartz IV“. Selbst die Opposition scheint nicht mehr zu hoffen, dass die Regierung an den SPD-Abweichlern scheitern könnte.

Stattdessen gab sich die Union konstruktiv: CDU-Arbeitsmarktexperte Karl-Josef Laumann bat um Kompromissvorschläge, wie man sich im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat einigen kann, wer künftig für die Langzeitarbeitslosen und erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger zuständig sein soll. Bisher fordert die Union, dass sich die Kommunen um diese insgesamt rund 5,5 Millionen Menschen kümmern sollen. Der Regierungsentwurf hingegen will sie den Arbeitsämtern überlassen. Dagegen hatte sich der Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster (SPD), bisher vehement gewehrt und auch den Konflikt mit Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (ebenfalls SPD) nicht gescheut. Gerster wollte – wie die Union – die schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen an die Kommunen übergeben, um seine Vermittler zu entlasten.

Nun schaltete auch Gerster gestern auf Kompromiss: „Ausdrücklich“ bot er „eine echte Verzahnung vor Ort“ an, zwischen den Arbeitsämtern und der kommunalen Sozialarbeit. Wie die Union dürfte er eingesehen haben, dass sein Kommunalmodell politisch keine Chance hat: Auch bei der gestrigen Anhörung wehrten sich der Städte- und Gemeindetag vehement dagegen, allein für die Langzeitarbeitslosen zuständig zu sein.

Ungewöhnliche Koalitionen bildeten sich auch bei anderen Streitpunkten. So waren sich der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft und die Gewerkschaften einig, dass die Anrechnung von Altersvorsorgevermögen „dringend“ zu verbessern sei. Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass höchstens 200 Euro pro Lebensjahr nicht aufgezehrt werden müssen. Nur die Riester-Rente ist anrechnungsfrei. Die Versicherungen fürchten daher, dass ihre anderen Angebote unattraktiv werden könnten und wünschen sich „ein Schonvermögen von 800 Euro pro Lebensjahr“. Der DGB fordert, die Alterssicherung generell auszunehmen. Der SPD-Sozialexperte Klaus Brandner hat bereits angekündigt, dass man auf die Kritiker zugehen und Nachbesserungen beschließen werde.

Völlig unklar ist weiterhin, ob Langzeitarbeitslose künftig jeden Job annehmen müssen – auch wenn der Verdienst geringer als die Sozialhilfe ausfällt. Der Gesetzentwurf sieht keinerlei Untergrenze mehr vor. Wie DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer bitter feststellte, „gilt dann nur noch das bürgerliche Gesetzbuch“, das sittenwidrige Beschäftigung verbietet. Die Gewerkschaften wünschen sich daher, dass die ortsüblichen Löhne als Richtwert einer zumutbaren Beschäftigung definiert werden.

So sehen es auch die Grünen und die SPD-internen Kritiker. Es dürfe „keine Lohnspirale nach unten“ geben, forderte Klaus Barthel gestern und verlangte „notwendige Korrekturen“. Nun warten alle gespannt auf neue Vorschläge von Herrn Clement.

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