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Das Handballdorf im Norden

Wer Handball kennt, kennt Fredenbeck. Der kleine Ort im Landkreis Stade hält sich seit zwanzig Jahren ununterbrochen im deutschen Spitzenhandball und lässt selbst den HSV Hamburg vor Neid erblassen: „Das sind alles Handballverrückte hier“

von Holger Schleper

Die Handballer des HSV Hamburg waren in der zweiten Pokalrunde da angekommen, wo sie selbst noch hin wollen: In einem traditionsreichen Handball-Mekka. Fredenbeck heißt das Dorf des Zweitligisten, dessen gesammelte Einwohnerschaft es nicht schaffen würde, die Heimspielstätte der Hamburger, die Color Line Arena, zu füllen. Trotzdem schickt sich das auf der Stader Geest zwischen Kutenholz und Agathenburg gelegene Örtchen an, der vermeintlich stärksten Liga der Welt demnächst mal wieder einen Besuch abzustatten. Das Pokalspiel gegen das Starensemble aus der Hansestadt kam da am Mittwochabend gerade recht.

1.500 Zuschauer, was ungefähr jedem vierten Fredenbecker Gemeindemitglied entspricht, unterstützten in der Geestlandhalle ihr Team gegen den HSV. Industriemechaniker Stefan Völkers und Marketing-Assistent Dennis Marinkovic warfen jeweils fünf Tore für den VfL und konnten die Partie gegen den Verein von Nationalspieler Pascal Hens und Welthandballer Bertrand Gille bis zum 13:15 zur Halbzeit offen halten. Am Ende brachte dieser Abend zwar keine Pokalsensation, sondern eine 24:33-Niederlage – das ändert aber nichts daran, dass Fredenbecks „Blaue Jungs“ mit einem enthusiastischen Umfeld dem Handballstandort Hamburg einiges voraus haben.

18 Handballmannschaften kommen auf die 7.000 Bewohner der Gemeinde. „Das sind alles Handballverrückte“, meint der Vorstandsvorsitzende Hans Müller. Die Sportart besitzt hier große Tradition, seit 1982 schafft es der kleine Ort ununterbrochen, zumindest Zweitliga-Handball zu bieten. Christine Hustedt vom Fan-Club „Blue Dragon‘s“ sagt: „Wer irgendwie mit Handball zu tun hat, dem ist Fredenbeck ein Begriff.“

Diese Tatsache ist eng mit dem Namen des Trainers Zbigniew Tluczynski verbunden. Der Pole war schon als Spieler für den VfL aktiv und führte die „Blauen Jungs“ 1989 in die erste Liga. Dort sorgte Tluczynski mit seinen Treffern dafür, dass das Phänomen Fredenbeck sechs Jahre lang im Oberhaus verblieb.

Das Geheimnis des Erfolges liegt in der Jugendarbeit des Vereins. Die Handballausbildung in der Gemeinde scheint von ganz besonderer Güte zu sein. Gleich sechs Spieler aus der eigenen Jugend stehen im aktuellen Zweitligakader, darunter auch Maciek Tluczynski, der Sohn des Trainers. Sie sollen den VfL in die erste Liga werfen, das ist laut Manager Gunnar Schmidt die Marschroute. Der Club soll wieder an seinen Bestimmungsort zurückkehren.

„Der VfL ist ein typischer Dorfverein“, untertreibt Christine Hustedt, denn HSV-Trainer Bob Hanning muss neidisch sein auf diesen Club. Käme in die Color Line Arena jeder vierte Hamburger, hätte man sich in der Hansestadt sicherlich nicht auf die Suche nach einem neuen Geschäftsführer begeben müssen.

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