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Die Engagierte

Helga Trüpel hat gute Chancen, nach Europa zu kommen. Die ehemalige Senatorin ist begeisterte Europäerin. Ihr Credo: In Bremen leben und „den Blick aufmachen“

„Europa ist eine Frau“, finden die Bremer Grünen, haben das auf ihre Wahlplakate geschrieben und Helga Trüpels Konterfei drauf verewigt – und damit haben sie womöglich recht: Denn dass die 45-jährige Literaturwissenschaftlerin am kommenden Sonntag ein Ticket nach Straßburg erhält, ist angesichts ihres Platz 13 auf der Bundesliste der Grünen nicht ausgeschlossen.

Die Vorstellung, Bremen habe mit Europa wenig zu tun, begegnet Helga Trüpel auf ihren Wahlkampfterminen häufig und „ist ein Fehler“. Bremen habe von der EU viel bekommen, „viel mehr als es eingezahlt hat“, sagt Trüpel, deutet auf die dekorative Kneipenmeile unterhalb ihres Büros an der Schlachte, erzählt vom Zoo am Meer, von Bremerhaven-Lehe oder von den 5.000 Menschen in Qualifizierungsmaßnahmen. Und dass es schwer sei, Europa zu denken, lässt sie nicht wirklich gelten: „Man muss sich schon ein bisschen kümmern wollen.“ Sie selber tue das so richtig auch erst, seit sie europapolitische Sprecherin der Partei geworden sei. „Ich kann nur meiner Verwunderung Ausdruck geben, welch große Rolle die EU in der politischen Debatte spielt.“ Jetzt schwärmt Helga Trüpel vom Badewasser in der Danziger Bucht, das vor dem Fluss des EU-Geldstroms nach Polen als Vorschuss auf den Beitritt kein Bade- sondern Dreckwasser war. Die Kläranlagen, die Polen mit dem Brüsseler Geld gebaut hat, säubern das Wasser, „und das kommt doch auch uns zugute“.

Helga Trüpel hat, obwohl noch Lokalpolitikerin, bereits europapolitische Meriten: Sie hat den Anstoß gegeben zur Bewerbung Bremens als Kulturhauptstadt 2010. Eine „produktive Spannung“, ein „unheimliches Potenzial“ findet sie im Kulturbereich. Bremen mögen und zugleich „den Blick aufmachen“, das ist Helga Trüpels Haltung. Die ehemalige Kultursenatorin plädiert für mehr Transparenz in der EU-Künstlerförderung. Noch nichtmal das Bremer (CDU-geführte) Kulturressort kenne sich aus. „Es gibt da niemanden, der weiß, wie die Wege sind.“

Sollte Helga Trüpel in Straßburg einziehen, wird es zu ihrer Aufgabe gehören, Geld für Bremen zu akquirieren. „Aber es geht dabei nicht um die Organisation dauerhafter Abhängigkeit, sondern um die Stärkung der Regionen.“ Beim Neuzuschnitt der Strukturfonds werde es um einen qualitativen Ansatz gehen – „dafür haben wir Grünen unheimlich gestritten.“ Im Mittelpunkt steht die Frage, was Zukunftsinvestitionen sind. Trüpel: „Der Space Park nicht.“ Stattdessen: „Intelligenz, Jugend, neue Technologien, anregende Milieus, in denen neue Ideen entstehen – da müssen die Ressourcen hin.“

Einer Sache ist sich Helga Trüpel ganz sicher: „In Europa geht es viel mehr um Sachpolitik. Parteipolitik spielt eine viel geringere Rolle als bei uns.“ Pause, dann, lächelnd: „Das würde mir gefallen.“ sgi

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