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Noël Mamère beendet die Ära Napoléon

Der Grüne Bürgermeister von Bègles verheiratet am Samstag das erste schwule Paar in Frankreich

In Bègles, der Arbeitervorstadt von Bordeaux, finden Samstag zwei Ereignisse statt: das jährliche Kabeljaufest. Und die erste französische Schwulenhochzeit. Ersteres ist ein lokales Ereignis. Über Letzteres berichten alle französischen Medien. Ausführlicher als über die Prinzenhochzeit im benachbarten Spanien.

Um elf Uhr will der Bürgermeister den Brautleuten Stéphane Chopin und Bertrand Charpentier im Rathaus den republikanischen Segen für den „Bund fürs Leben“ geben. Monsieur le Maire ist der frühere TV-Nachrichtensprecher und jetzige Politiker Noël Mamère. 1997 trat er den Grünen bei. 2002 war er Präsidentschaftskandidat, derzeit ist er einer der drei letzten grünen Parlamentarier. Mit der Ankündigung, er werde die erste gleichgeschlechtliche Ehe Frankreichs schließen, hat er es geschafft, seine Partei, um die es sehr ruhig geworden ist, wieder ins Gespräch zu bringen.

Ob Mamère es schafft, den Bund von Stéphane und Bertrand rechtskräftig zu machen, steht auf einem anderen Blatt. Vorerst sieht es nicht so aus. Der Staatsanwalt in Bordeaux hat dem Bürgermeister bereits vor Wochen in aller Form „verboten“, diese Ehe zu schließen: Eine Ehe zwischen zwei Männern verstoße gegen den Code Civil. Das Rechtsbuch, das aus der Ära Napoléon datiert, sieht lediglich die Ehe zweier Personen verschiedenen Geschlechts vor. Vor zwei Tagen fiel dem Staatsanwalt noch ein Argument ein: Das Brautpaar wohne nicht in Bègles und Mamère sei gar nicht zuständig.

Je mehr Medien das Aufgebot veröffentlichten, desto höher platzierte Persönlichkeiten mischten sich in das private Vorhaben ein. Justizminister Dominique Perben erklärte die Eheschließung für „illegal“. Premier Jean-Pierre Raffarin persönlich kündigte an, er werde den Rechtsstaat durchsetzen; notfalls auch in Bègles. Auch Spitzenpolitiker der sozialdemokratischen Freunde der Grünen wetterten gegen die „Provokation“.

Mamère, der noch nie vor einer Polemik zurückschreckte, bleibt bei seinem Vorhaben. Die Durchsetzung des Rechts sei nicht Sache von Politikern, sondern eines Gerichts. Zusammen mit dem Brautpaar, das die Story laut Justizminister längst an eine Illustrierte verkauft habe, will Mamère es auf eine juristische Nichtigkeitserklärung der Eheschließung ankommen lassen.

Theoretisch riskiert er damit auch sein Amt. Er könnte – sei es auf Weisung aus dem Innenministerium, sei es auf Entscheid des Premiers – wegen Gesetzesbruchs suspendiert werden. Doch nur wenige in Frankreich glauben ernsthaft daran, dass die Pariser Regierung dem Grünen diesen Gefallen tun wird. Nicht nur wegen des wachsenden Einflusses von Schwulenorganisationen, sondern vor allem, weil alle im Parlament vertretenen Parteien, die Rechten inklusive, schon längst meinen, dass die vor vier Jahren eingeführte Ersatz-Ehe für Homosexuelle „Pacs“ rechtlich und wirtschaftlich nicht ausreicht und reformiert gehört. Mamère rennt offene Türen ein. DOROTHEA HAHN

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