: Berliner Volleyballer werden cool
Der SC Charlottenburg schlägt Unicaja Almeria mit 3:1 und zieht erstmals in die Play-offs der Champions League ein
BERLIN taz ■ Der Volleyballtrainer Mirko Culic ist kein Mann des Überschwangs, und so blieb er auch in den Minuten des wohl größten Erfolgs in der Geschichte des SCC Berlins erstaunlich gelassen. „Es war eine sehr schöne Arbeit“, befand der 42-jährige Jugoslawe, jeder im Team habe seinen Job erledigt, und wenn das der Fall sei, „dann passieren bei uns eben gute Dinge“. Natürlich stimmte diese eher trocken daherkommende Analyse mit dem zuvor Geschehenen überein, und doch klang sie seltsam lapidar angesichts der Tatsache, dass es sich bei dem guten Ding, das dem deutschen Volleyballmeister aus Charlottenburg gerade passiert war, um einen 3:1 (25:21, 24:26, 25:20,30:28)-Sieg im vorletzten Vorrundenspiel der Champions League gegen den spanischen Titelträger Unicaja Almeria handelte. Noch mehr als der Sieg an sich zählt für die Schmettermänner aus der Hauptstadt freilich, dass sie durch ihn so gut wie sicher die Play-offs der Königsklasse erreicht haben – zum ersten Mal überhaupt in ihrer Vereinshistorie. „Das sollten wir genießen“, fand Culic, allerdings nur einen Augenblick, denn: „Es gibt jetzt viel zu tun.“
Als ob das was Neues wäre für Culic, im Prinzip ist es ja seit seinem Amtsantritt vor vier Jahren so. Zwar gehörten die Berliner auch zu jener Zeit schon zu den führenden Teams in Deutschland, über allen aber thronte der Serienmeister aus Friedrichshafen, mithin die einzige deutsche Mannschaft, die sich auch international als konkurrenzfähig erwies. Dass sich dies geändert hat, kann getrost als Culics Werk bezeichnet werden, bereits 2003 führte er den SSC zum ersten Meistertitel seit zehn Jahren, auch im letzten Jahr hatte der einst übermächtige Konkurrent vom Bodensee das Nachsehen. Das nun erstmalige Vorstoßen unter die zwölf besten Mannschaften Europas ist nicht nur ein weiterer Meilenstein für Culic und die Charlottenburger, es ist eine kleine Sensation.
Denn besonders fruchtbar ist der Boden nicht, auf dem das SSC-Pflänzchen gedeiht, Volleyball ist trotz der jüngsten Erfolge Randsport in Berlin. Von den Rahmenbedingungen, wie sie sich die Friedrichshafener erarbeitet haben, sind die Charlottenburger jedenfalls noch ein gutes Stück entfernt, vor allem was Halle, Saisonetat und Zuschauerzuspruch anbelangt. Zu Bundesligaspielen verirren sich bisweilen kaum mehr als 100 Zuschauer in die alte Sömmeringhalle. „Auch deshalb“, sagt Kaweh Niroomand, „ist die Teilnahme in der Champions League für uns enorm wichtig.“ Vor allem der Sieg über Sisley Treviso, eine der stärksten Vereinsmannschaften der Welt, habe eine „enorme Öffentlichkeitswirkung“ gefunden. „Dadurch“, sagt der SSC-Manager, „haben wir an Popularität gewonnen, die uns vielleicht bei der Sponsorensuche hilft.“
Bislang war die Teilnahme an der Champions League für die Berliner eher ein Zuschussgeschäft, allein um in den Play-offs mitpritschen zu dürfen, muss Niroomand weitere 8.000 Euro an den europäischen Verband überweisen, zusammen mit den Reisekosten rechnet der Manager mit Mehrausgaben von rund 15.000 Euro. Eingeplant hatte er das nicht, schließlich habe man „nicht damit gerechnet, dass wir schon jetzt die Zwischenrunde erreichen. In unserem Fünfjahresplan war das erst nächste Saison vorgesehen.“ Ist aber egal, wie Niroomand findet, denn: „Wir machen das ganze Unternehmen ja nicht unter geschäftlichen Gesichtspunkten.“
Sondern in erster Linie, um die junge Mannschaft, gleich vier Spieler aus der Stammsechs sind unter 22 Jahren, sportlich nach vorne zu bringen, in der international gesehen zweitklassigen Bundesliga zählen sie ja schon zu den Besten. Ergo: Nur der Champions League aber, beim Kräftemessen mit den Stärksten, können Robert Kromm, 20 Jahre alt und nicht nur wegen seiner 2,11 m das wohl größte deutsche Volleyball-Talent, und seine Kollegen sich noch weiter fortentwickeln. „Man steht ständig unter Druck und lernt dabei, auch in knappen Sätzen cool zu bleiben“, bestätigt das Kromm. Wie cool der große Blonde bereits ist, zeigt sich schon darin, dass mittlerweile sogar Spielervermittler aus Italien die Reise in die Sömmeringhalle antreten, nicht ausgeschlossen, dass der Berliner bald schon in der stärksten Liga der Welt schmettert. Für Mirko Culic wäre das ein herber Verlust. Der SSC-Trainer hätte dann noch mehr zu tun. FRANK KETTERER
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