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Der Norden im Blick

Die Zeiten sind schlecht für freie FotografInnen. In Hamburg hat sich deshalb der Verein Freelens gegründet, während die Szene in Bremen mit dem Buchprojekt „Nordaufnahme Eins“ reagiert

Ohne Bild geht für die Printmedien nichts, vor allem nicht am Kiosk. Und trotzdem sind „die Fotojournalisten die ersten gewesen, die radikal aus den Verlagen ausgesourct wurden“, sagt Klaus Andrews vom Hamburger Verein Freelens. „Im Magazinbereich gibt es seit den 1970er Jahren keine Festanstellungen mehr.“

Die Folge: FotojournalistInnen arbeiten heutzutage meist als Einzelkämpfer in Abhängigkeit von Redaktionen, die über Aufträge entscheiden und in einem übervollen Markt gute Möglichkeiten haben, die Bedingungen zu diktierten. „Die Verlage ziehen Kapital aus der Vereinzelung“, so Andrews. In Hamburg hat sich deshalb 1995 der Verein Freelens gegründet, „um der fortschreitenden Verschlechterung der Arbeitsbedingungen im Fotojournalismus entgegenzuwirken.“ Neben dem Diktat der Verlage haben viele FotojournalistInnen mit der Umstellung auf das digitale Fotografieren zu kämpfen: „Früher hat man seinen Film abgegeben und hatte dann keine Arbeit mehr“, sagt Andrews. „Heute sitzt du 50 Prozent der Zeit, die du draußen warst, nochmal am Rechner.“

Dabei geht es bei Freelens nicht nur um Erfahrungsaustausch, sondern auch um handfeste Interessen: Im Namen von 72 Mitgliedern klagte der Verein 1997 gegen die nicht autorisierte Zweitnutzung von Fotos, die der Spiegel auf CD-ROMs veröffentlicht hatte. Die Urheberrechtskammer des Landgerichts Hamburg wies die Klage zunächst ab. Daraufhin ging Freelens in Berufung und bekam vor dem Oberlandesgericht Recht.

„Den Kollegen steht das Wasser bis zum Hals“, sagt Andrews über die derzeitige Situation. Voll des Lobes ist er deswegen für das Projekt „Nordaufnahme Eins“, das die Fotografen Frank Pusch und Michael Bahlo nun in Bremen angeschoben haben. „Dies ist ein Schritt nach vorne“, sagt Andrews. Und Pusch meint: „Bevor wir ständig jammern, versuchen wir was zu machen.“

„Nordaufnahme Eins“ ist ein Buchprojekt, für das sich 57 professionelle FotografInnen sämtlicher Genres aus Bremen, Oldenburg, Delmenhorst, Bremerhaven, Worpswede und Fischerhude zusammengetan haben. Mit dabei: die taz-FotografInnen Kathrin Doepner, Michael Jungblut, Tristan Vankann, Kay Michalak, Kerstin Rolfes, Nikolai Wolff und Julia Baier.

Konzipiert wurde das Buch als Werbe- und Selbstdarstellungsplattform: Die FotografInnen präsentieren ihre Arbeiten auf einer oder zwei Seiten, schreiben Kontaktdaten und mitunter einen kleinen Kommentar zu den Bildern. Die Kosten für die Buchproduktion teilten sie sich. Entstanden ist so ein Wegweiser durch die Szene, ein Branchenbuch, aber auch ein Bildband von hoher Qualität: „Nordaufnahme Eins“ wurde einheitlich und mit viel Sachverstand gelayoutet. Die Druckqualität ist bestens und statt eines ursprünglich geplanten Paperbacks ist ein Hardcover-Buch entstanden – auch, weil die Bremer Innovations-Agentur Geld zuschoss.

1.500 Exemplare werden die FotografInnen bundesweit an „Entscheider“ verschicken: Agenturen, Redaktionen und Designbüros werden das Buch erhalten. Man hofft, dass sich daraus Aufträge ergeben und so das investierte Geld wieder eingespielt wird. Neben möglicher wirtschaftlicher Effekte sieht Pusch den „Benefit, dass du mit 56 Fotografen intensiv im Gespräch bist, von denen du vorher die Hälfte nicht kanntest. Das hat eine Menge Mut gemacht.“

Pusch ging es auch darum, mit dem Buch „die Region zu bewerben und zu zeigen: Es gibt hier eine lebendige Szene.“ Reportagefotografie steht in „Nordaufnahme Eins“ neben Portraits, Landschaftsfotografie trifft auf Akt-, Mode- und Industriefotografie. Der Norden spielt als Kulisse immer wieder eine Rolle, ist aber nicht Programm. Ein Folgeband ist in Planung. Pusch: „Erklärtes Ziel ist, dass wir noch weiter rauskommen, bis an die Küste ran. Wir kennen da bislang noch niemanden.“ Klaus Irler

Nordaufnahme Eins - Fotografie im Nordwesten ist erschienen im Bremer Schünemann-Verlag. Kontakt: www.nordaufnahme.de

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