Besuch bei Feinkost „Efefirat“

Der Wahlkampf beschert „Efefirat“ Grünen Besuch von Marieluise Beck und Cem Özdemir. Die Geschäfte gehen gut. Nur versteht man dort nicht den Streit über die doppelte Staatsbürgerschaft

Bremen taz ■ Auf dem Weg ins Achimer Industriegebiet hat sich Klaus Möhle, der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen, mit seinem Gast Cem Ödzemir ein bisschen verfahren, obwohl seine Mitarbeiterin die ausgedruckte Route auf dem Schoß liegen hatte. Aber die gleichfalls angekündigte Marieluise Beck lässt auf sich warten, so bleibt Özdemir Zeit zur Konversation mit Hasan Aktas, dem Geschäftsführer von Feinkost „Efefirat“.

Özdemir ist heute selbstverständlich nicht deshalb um 6 Uhr aufgestanden, weil ihn das Feinkostwesen in Achim umtreibt. Es ist Wahlkampf und der verlangt auch von den Europa-Abgeordneten Engagement. Es wird ein langer Tag werden, Özdemir trägt Jacket und jene Sorte Turnschuhe, die keinesfalls sportplatztauglich sind. Aber nur Wahlkampf-Manöver sollen es heute nicht sein. „Es geht um ein Thema, um das ich mich seit zwei Jahren kümmere“, sagt Klaus Möhle. Nämlich die Situation türkischer Unternehmer in Bremen, die mangelnde Unterstützung durch Behörden und lokale Wirtschaftsinstitutionen. „Warum beantwortet meine Anfragen zu türkischen Unternehmen das Sozial- und nicht das Wirtschaftsressort?“, fragt Möhle, doch das kann ihm hier niemand beantworten.

Aber jetzt erscheint Marieluise Beck, freundlich schon durchs Fenster des BMW winkend. Sie kommt im schwarzen Leinenkleid und verbreitet eine durchdringende Energie, die auf die lokalen Kollegen in ihrer freundlichen Geruhsamkeit verschreckend wirken muss. Und sie ist es auch, die den Brüdern Aktas bei Tee und Gebäck die entscheidenden Fragen stellt, während die Presse möglichst schnell mitschreibt und der rothaarige Referent Mustafa Öztürk telefoniert. Die Geschichte der Brüder Aktas ist eine Erfolgsgeschichte, das ist rasch klar: Der älteste Sohn einer anatolischen Bauernfamilie verdient in den 70er Jahren, anders als geplant, nicht nur das Geld für einen Mähdrescher, sondern verwirklicht eine Geschäftsidee: Im großen Stil Lebensmittel einzuführen für all die Landsleute, die mit dem deutschen Essen nicht recht glücklich werden.

Ahmet Aktas holt seine beiden Brüder als Prokuristen nach und baut in Bremen eine Firma mit 60 Mitarbeitern auf, die weltweit importiert: Kaffee aus Guatemala, Bohnen aus Chile – und Wasser aus der Türkei und Tschechien, weil die Transportkosten immer noch günstiger sind als die deutschen Löhne. 1993 zieht Efefirat von Arsten nach Achim: Der Gewerbequadratmeter kostet hier halb so viel wie in Bremen. „Und die Bremer Beamten haben sich nicht gekümmert“, sagt Ahmet Aktas. Marieluise Beck formuliert es drastischer: Ich kann mir vorstellen, dass sie dachten: Was wollen die Türken, das sind doch nur Gastarbeiter“.

Dennoch finden die Brüder Aktas vieles lobenswert: Die Bank, die Kredite gegeben hat, die Hilfe von Zollbehörde und Lebensmittelaufsicht. Ein paar Fragen bleiben: Warum hat man sie auf Ausbildungsplätze im Haus angesprochen? Warum beschäftigen sich die deutschen Politiker so sehr mit der doppelten Staatsbürgerschaft statt mit dringenderen Fragen wie der schrumpfenden Bevölkerung? Ihre eigene Zukunft wirkt dagegen vielversprechend: Zwar scheint sich keiner der Jungen, die als nächste Generation im Firmenprospekt erscheinen, im Betrieb engagieren zu wollen – wohl aber eine der – nicht fotografierten – Töchter.

Friederike Gräff