: Kacheln im Weltall
Ein Desillusionierungsroman: Mit der „Discovery“-Murkserei ist auch aus der großen Erzählung Raumfahrt die Luft raus
Was war die Raumfahrt mal für eine Sehnsuchtsmaschine! „… um fremde Welten zu entdecken, unbekannte Lebensweisen und neue Zivilisationen.“ Große Gänsehautzeilen von damals, aus dem „Star Trek“-Vorspann. Raumfahrt war: ein Aufbruch, vom erreichten Kalifornien aus weiter ins All. Skywards ho!
Aber wie sieht es in diesen Tagen nur da oben aus?! Die Raumfahrt, ein einziger Desillusionierungsroman. Nicht allein, dass wir auf dem Weg zu fremden Welten nicht weit gekommen sind. Die derzeitigen Probleme wirken auch noch so bieder. Auf ein paar Kacheln und etwas Kunststoff schaut derzeit die ganze Welt. Kacheln und Kunststoff! Als ob es zu Hause in der eigenen Küche etwas zu reparieren gäbe. Bitter. Mit der „Discovery“-Murkserei hat die Nasa die Raumfahrt endgültig auf die Erde zurückgeholt; auch aus ihr ist die Luft rausgelassen, wie aus so mancher großer Erzählung zuvor – der Geschichtsphilosophie etwa oder der freien Liebe.
Interessant aber, dass gleichzeitig so eine Sache wie diese Google-Earth-Suchmaschine möglich wird, mit der derzeit so viele Internetler herumspielen. Mit ein paar Klicks kann man sich zwar keine Blicke auf fremde Welten aus dem Netz saugen, aber doch immerhin schon einmal welche auf die eigene Erde. Sieht hübsch aus, wenn man vom All aus allmählich auf sein eigenes Wohnhaus zusteuert. Großartig, Landstriche auf der Erde zu erkunden, in denen man noch nie war. Das ist mehr als nur ein netter Zeitvertreib. Der reale Effekt der Raumfahrt bestand schon immer darin, den Blick auf unseren eigenen Planeten zu ändern. Die eine Welt, so zerbrechlich inmitten all dieser grenzenlosen Kälte – diese Stellung der Erde im Kosmos anschaulich auf einem Foto zu sehen hat mehr zur Entstehung eines globalen Ökobewusstseins getan als die Ökobewegung.
Desillusionierung im Weltall, Euphorie aufgrund tatsächlicher Anwendungen der Weltraumfahrt: Es geht nicht ganz auf, diese beiden Phänomene zusammenzudenken. Aber eine Erzählung, die sie umschließt, könnte vom Verblassen der eskapistischen Energie der Weltraumfahrt handeln und zugleich davon, dass man deswegen keineswegs in Melancholie verfallen muss. Die eigene Welt kann man mit Hilfe der Raumfahrt immerhin entdecken – mehr war realistisch betrachtet sowieso nie drin (schon Kirk und Co haben in den fremden Welten immer nur die irdischen Probleme wiederentdeckt). Und dann gilt noch, dass einem auch auf der Erde so manche Lebensweise unbekannt vorkommen kann und so manche Zivilisation fremd. Manchmal sogar die eigene. DIRK KNIPPHALS
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