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Kampf an Afghanistans Muttermilchfront

Eine Kampagne gegen gesundheitsschädliche Traditionen und die Machenschaften internationaler Babynahrungskonzerne soll die Kindersterblichkeit in Afghanistan senken. Die ist mit 130 Todesfällen auf 1.000 Geburten im globalen Vergleich extrem

AUS KABUL MASEEH RAHMAN

Afghanistans Gesundheitsministerium und das UN-Kinderhilfswerk Unicef wollen heute ihre erste gemeinsame Kampagne zur Förderung des Stillens starten. Alarmiert durch die Invasion zahlreicher Babynahrungskonzerne, hat das Ministerium bereits einen Vermarktungskodex für Milchpulver formuliert. Er soll sicherstellen, dass künstliche Babynahrung nur von Apotheken gegen Rezept verkauft werden darf.

„Wir wollen, dass Kinder in den ersten sechs Monaten ausschließlich gestillt werden und bis zum Alter von zwei Jahren mit natürlichem Essen statt mit künstlicher Babynahrung gefüttert werden“, sagt der Leiter der Ernährungsabteilung des Ministeriums, Mohibullah Wahdati.

Künstliche Babynahrung Schweizer, belgischer, deutscher, japanischer und chinesischer Firmen ist in Afghanistan bisher frei käuflich. Im Kampf um Marktanteile halten sich einige Babynahrungskonzerne bei ihrer Werbung nicht an internationale Normen. Das Gesundheitsministerium stoppte deshalb schon zwei Werbespots für Milchpulver, je einen fürs Radio und Fernsehen.

„Eine europäische Firma verbreitete die Botschaft, ihr Milchpulver sei ‚von Geburt an exzellent für Babys‘, mit Hilfe eines berühmten Fernsehschauspielers“, sagt die Ärztin Zakia Maroof, die bei Unicef in Kabul für Kinderfürsorge zuständig ist. „Diese Werbung verstieß eindeutig gegen medizinischen Rat.“

Maroof sprach mit dem Sender und dem Schauspieler. Der sagte, er habe nicht gewusst, dass künstliche Babynahrung für Kinder gesundheitsschädlich sei. Der Sender nahm den Spot schließlich aus dem Programm.

Eine nichtkommerzielle Gesellschaft, die von einem Ernährungsberater von Nestlé USA gegründet worden war und angeblich chronische Unterernährung afghanischer Frauen und Säuglinge bekämpfen will, entschuldigte sich inzwischen dafür, dass ihre Mitarbeiter einschließlich eines Kinderarztes künstliche Babynahrung kostenlos in einem Krankenhaus in Masar-i Scharif und benachbarten Dörfern verteilt hatten.

Diese immer wieder praktizierte Werbemethode ließ bereits in der Vergangenheit in vielen armen Ländern unwissende Mütter von schützender, nahrhafter Muttermilch auf künstliche Produkte umsteigen. Bei den Säuglingen führte dies zu Mangelerkrankungen, Durchfall, Infektionen und Austrocknung. Weil der Schweizer Nestlé-Konzern Milchpulver besonders aggressiv vermarktete und nach Meinung seiner Kritiker auch heute noch immer wieder gegen die Unicef-Richtlinien verstößt, ist er in vielen Ländern Ziel eines Verbraucherboykotts.

In Afghanistan müssen Unicef und Gesundheitsministerium das Stillen und eine gute Ernährung für die Mütter auch gegen Traditionen durchsetzen. In den ersten 40 Tagen nach der Geburt werden den Müttern Obst, Gemüse und Früchte vorenthalten im Glauben, sonst würde ihre „Wunde“ nicht heilen. Stattdessen gibt es nur Brot und Tee. Und Säuglinge sollten demnach in den ersten drei Tagen nach der Geburt überhaupt nicht gestillt werden. Dabei ist dies gerade die Zeit, in der die besonders nahrhafte und mit Antikörpern ausgestattete Vormilch sie schützen würde. Die aber halten Afghanen für schädlich. „Stattdessen bekommen die Kinder in den ersten drei Lebenstagen nur Öl und Butter im Glauben, dies reinige ihren Magen“, sagt Maroof.

Mit 130 Todesfällen auf 1.000 Geburten hat Afghanistan eine der welthöchsten Kindersterblichkeitsraten. 2002 gab es in der Nordprovinz Badakshan mit 6.500 Todesfällen auf 100.000 Geburten die höchste je aufgezeichnete Müttersterblichkeit.

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