: Prozeßwelle gegen Radio Dreyeckland
■ Mitglieder des Radio–Freundeskreises, die moderierten, wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Fernmeldegesetz angeklagt
Aus Freiburg Thomas Scheuer
Kurz bevor im CDU–regierten Baden–Württemberg die ersten Sendelizenzen an private Lokalradiomacher vergeben werden und damit das öffentlich–rechtliche Rundfunkmonopol endgültig der Vergangenheit angehört, rollt in Freiburg eine Prozeßlawine gegen den regionalen Alternativ– Sender „Radio Dreyeckland“ (RDL) an. Als erster von mittlerweile rund einem Dutzend Angeklagten steht morgen ein langjähriger Mitarbeiter des legalen Freundeskreises von RDL, einem eingetragenen Verein, wegen „Beihilfe zum Verstoß gegen das Fermeldeanlagengesetz“ vor den Schranken des Freiburger Amtsgerichts. Die Staatsanwaltschaft kann dem angeklagten Radioaktivisten das eigentliche technische Betreiben einer Sendeanlage jedoch nicht nachweisen, daher sollen seine Wortbeiträge und Moderationen als Beihilfe verurteilt werden. Sollte sich das Gericht dieser Auffassung anschließen, dann müßte die Justiz konsequenterweise demnächst Hunderten von Menschen nachstellen, darunter zahlreichen Parlamentariern, Künstlern und Prominenten, die in den vergangenen Jahren Live–Beiträge und Kassetten zum RDL–Programm beisteuerten. Damit die Anklage nicht zu dünn ausfiel, wurde sie denn auch mit einem zweiten Tatvorwurf gekoppelt: „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“. Vorgehalten wird dabei dem Radiomacher, daß er sich sich im Juli 1985 nach einer Hausdurchsuchung der gewaltsamen erkennungsdienstlichen Behandlung durch Polizeibeamte zu erwehren versuchte. Er selbst erlitt dabei Verletzungen und erstattete Anzeige gegen die Beamten, die jedoch abgewiesen wurde. Stattdessen wird jetzt mit der zur Verhandlung kommenden Anzeige wegen „Widerstands“ gekontert. Diesem ersten Strafverfahren sollen weitere am 29. 9. und am 2. 10. folgen, u.a. gegen den ehemaligen Vorsitzenden des RDL–Freundeskreises. Für die rechte Atmosphäre im Vorfeld des Verfahrens, zu dem sich Stadträte, Juristen und Europaabgeordnete als Beobachter angekündigt haben, sorgte eine Anordnung des Richters, pauschal die Ausweise aller Prozeßbesucher abzulichten. FORTSETZUNG VON SEITE 1
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen