: Defekte Dichtungsringe in AKWs
■ Dieselben Dichtungen, die zur Explosion der „Challenger“ führten, werden in AKWs verwendet
Von Silvia Sanides–Kilian
Washington (taz) - Defekte O– Ringe, jene Dichtungen, deren Versagen die Explosion der amerikanischen Raumfähre „Challenger“ Anfang dieses Jahres herbeiführte, sind nach Ansicht der Vereinigung kritischer US–Wissenschaftler „Union of Concerned Scientists“ auch in Atomkraftwerken gefährliche Schwachstellen, die bei einem Unfall bewirken könnten, daß wichtige Sicherheitssysteme ausfallen. In einer Anfang der Woche vorgelegten Studie zu diesem Problem weisen Daniel Ford und Richard Pllard von den „Concerned Scientists“ darauf hin, daß die Tausende von O–Ringen, die sich in jedem Atomkraftwerk befinden, empfindlich gegenüber hohen Temperaturen und radioaktiver Strahlung sind. Die Dichtungsringe funktionieren bis 150 Grad Celsius einwandfrei. Aber in Unfallsituationen, gerade wenn die Sicherheitssysteme eine Überhitzung des Reaktors abbremsen sollen, können die Ringe Temperaturen von 200 bis 600 Grad Celsius ausgesetzt sein. Im gefürchteten Fall einer Kernschmelze, bei der Temperaturen über 2.500 Grad Celsius auftreten können, würden nach Ansicht der Wissenschaftler alle Sicherheitssysteme, die von O–Ringen abhängig sind, versagen. Als besonders gefährlich bezeichnen die Autoren der Studie, die sich auf die Auswertung von über 60 Berichten von O–Ring– Versagen in Atomkraftwerken stützt, Dichtungsdefekte an Öffnungen in der äußeren Betonkuppel eines Kraftwerks: Öffnungen für Wasserrohre oder für elektrische Leitungen und Ausgänge für das Personal. Die US–Atomaufsichtsbehörde NRC, so kritisieren die beiden Wissenschaftler, habe die Bedeutung dieser Vorfälle bisher heruntergespielt.
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