Nur ein Titel, keine Kompetenzen

■ Seit vier Monaten als Bundesfrauenministerin im Amt: Rita Süssmuth / Scheinbare Handlungsvollmacht ohne Gesetzes–Kompetenzen / Justiz– und Arbeitsministerium verteidigen ihre Pfründe mit großer Hartnäckigkeit

Aus Bonn Ursel Sieber

Bundesfrauenministerin Rita Süssmuth besitzt auch fast vier Monate nach der Kabinettsumbildung nur den Titel, aber keine Gesetzes–Kompetenzen für Frauenfragen. Und auch in dieser Legislaturperiode wird sie keinerlei Zuständigkeiten erhalten, die den Titel einer Frauenministerin rechtfertigen würden. Erst nach der Bundestagswahl werde der Zuschnitt der neuen Frauenabteilung festgelegt, sagte Regierungssprecher Ost vor der Bonner Presse. Und: Frau Süssmuth werde vorerst keine neuen Kompetenzen erhalten. Angesichts des bisherigen Tauziehens zwischen den Ministerien ist es jedoch fraglich, ob die CDU–Ministerin eine Federführung in Frauenfragen jemals bekommt. Rita Süssmuth schürte dennoch während der Haushaltsdebatte Hoffnungen. Die ihr übertragene Zuständigkeit werde „in den nächsten Monaten faktisch und in der nächsten Legislaturperiode rechtsförmlich festgelegt“, sagte sie in ihrer Rede zur Familienpolitik. „Wir Frauen“, fügte sie lapidar hinzu, „werden schon hinreichend lästig werden.“ Anfang Juni, kurz vor den Landtagswahlen in Niedersachsen, war die CDU in die Offensive gegangen. Bundeskanzler Kohl holte einen Umweltminister ins Kabinett und verfügte, die Frauenpolitik „auszubauen und das Ressort in ein Ministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit umzuwandeln“. Das Referat „Frau und Beruf“ aus dem Hause Blüm - ein kleines, sogenanntes Koordinierungsreferat ohne Kompetenzen - wurde dem neuen „Frauenministerium“ übertragen. Und, so lautete die eigentliche Sensation des Bundeskanzlers, „im Gegensatz zu bisher erhält das erweiterte Ministerium in diesem Bereich die Federführung für Frauenfragen, einschließlich der Gesetzgebungskompetenzen“. In allen Fragen, „die im Bereich der Gleichberechtigung von Männern und Frauen Frauen stärker betreffen als Männer“, sollte die neue Frauenministerin fortan die Feder führen. Dies, so berichtete Rita Süssmuth stolz der Öffentlichkeit, sei im Kabinett vereinbart worden. Die „Operationalisierung“ dieser Vereinbarung wird seitdem ständig vertagt. Zunächst hieß es „nach der Niedersachsen–Wahl“, dann „nach der Sommerpause“ und nun „nach der Bundestagswahl.“ Der Grund: Die einzelnen Ministerien weigern sich hartnäckig, Teile ihrer gesetzgeberischen Kompetenzen an die Frauenministerin abzugeben. Aus „fachlichen Gründen“, so verlautet es z. B. aus dem Justizministerim, sei es „unmöglich“, Frau Süssmuth die Federführung für Gesetze zum Opferschutz, zur Vergewaltigung in der Ehe, das Adoptivrecht, den Versorgungsausgleich oder das Ehe– und Familienrecht zu übertragen. Man könne nicht einfach einen Teil des Straf– oder Zivilrechts aus dem Justizministerium abtrennen oder - wie im Falle der Gentechnik - sogar eine ganze Abteilung abgeben. Dieselben Töne kommen aus dem Arbeitsministerium des Herrn Blüm. (Er will sich von seinen Zuständigkeiten nichts wegnehmen lassen.) Ob EG–Anpassungsgesetz oder Frauenarbeitsschutz - Rita Süssmuth soll die angekündigte „Federführung für Frauenfragen“ nirgendwo bekommen. Allein „gewisse Beteiligungsrechte“, so die Formulierung in den betroffenen Ministerien, seien wünschenswert. Wie die aussehen könnten, bleibt allerdings bis heute unklar. Von „doppelter Federführung“ ist die Rede, allerdings mit der Bemerkung, dies sei ein Widerspruch in sich. Denn laut Geschäftsordnung besitzt immer ein Minister die Federführung. Überschneiden sich Themen, können andere Ministerien mit einem Mitspracherecht beteiligt sein. Bestenfalls könnte Rita Süssmuth den zuständigen Minister zwingen, einen Gesetzentwurf zu überdenken. Auch der Ausbau des „Arbeitsstabes Frauenpolitik“ zu einer Abteilung geht nicht recht voran. 13 Stellen hat Finanzminister Stoltenberg für dieses Jahr noch bewilligt. Der Bundesrechnungshof stellte sich quer, weil er zuvor geklärt haben will, welche Zuständigkeiten von den anderen Ressorts auf Frau Süssmuth übergehen. Aber Pressesprecher Möbes ist sicher, daß die Stellen noch 1986 besetzt werden. Auch das kleine Referat „Frau und Beruf“ wechselt erst in den nächsten Tagen ins Familienministerium. Und so mußte sich Rita Süssmuth in der Haushaltsdebatte von der SPD–Abgeordneten Renate Schmidt vorhalten lassen, daß Herr Wallmann bestimmt nicht nur den Titel genommen hatte, „ohne geklärte Kompetenzen, ohne Personal in der Tasche“. „Ich erwarte von einer Frau in Ihrer Position, daß sie erkennt, daß die Männer sie brauchen, um Wahlen zu gewinnen, daß sie ihre Macht für die Durchsetzung von Fraueninteressen einsetzt und sich nicht mit Brosamen abspeisen läßt“.