: Schwarzmarkt machts möglich
■ Nach fünf Jahren Bürgerkrieg überlebt Uganda nur noch auf Subsistenzniveau / Die Auslandshilfe für die neue Regierung ist weit geringer als erwartet / Museveni will den Schwarzmarkt bekämpfen und riskiert dabei den Konflikt mit dem Mehrheitsvolk der Bagander
Als der siegreiche Yoweri Museveni am 27. Mai dieses Jahres, exakt vier Monate nach seiner Machtübernahme, eine massive Abwertung des ugandischen Schilling und die Privatisierung von rund hundert staatlichen und halbstaatlichen Betrieben ankündigte, entsprach das den Erwartungen einer Wirtschaftswelt, die nach der „Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung“ nun endlich ihren Geschäften nachgehen wollte. Man war bereit, mit dem neuen Regime seinen Frieden zu machen, solange die liberalpragmatische Orthodoxie staatlicherseits in etwa respektiert wurde. Überdies waren die angekündigten Maßnahmen genau das, was der internationale Währungsfonds (IWF) Uganda seit langem geraten hatte. Die ersten Monate verhiessen somit eher Kontinuität als Neuanfang. IWF–Hörigkeit unter Milton Obote Der von Museveni bekämpfte Milton Obote hatte jahrelang (und zunächst auch erfolgreich) versucht, Ugandas Wirtschaft mit den Rezepten und der Unterstützung des IWF zu sanieren: Seit Juni 1981 wurde der ugandische Schilling frei gehandelt und fiel z.B. 1985 binnen Jahresfrist auf ein Siebtel seines Wertes. Die unter Idi Amin gesunkene Kaffeeproduktion stieg von 104.000 Tonnen 1981/82 auf 180.000 Tonnen 1983/84. Die Kehrseite der Medaille war allerdings ein Verfall des städtischen Lebensstandards: Das Grundgehalt eines kleinen Beamten reichte kaum aus, um ihn drei Tage lang zu ernähren, - etwa die Zeit, die er (der Not gehorchend) tatsächlich in seinem Büro verbrachte. Jeder mußte sich irgendwie durchschlagen, man handelte mit allem, wofür es einen Markt gab. Oder besser gesagt: einen Schwarzmarkt, der in Uganda „Magendo“ heißt und zahlungskräftigen Kunden auch die exotischsten Bedürfnisse erfüllt. Wollte man Zyniker in ihrem Glauben bestärken, so ließe sich das Uganda Milton Obotes als Beweis dafür anführen, daß die Finanzhilfe der Weltbankgruppe mitnichten an politische Bedingungen geknüpft ist. Denn während die Soldatenhorden der Regierung Tausende massakrierten, floß die Hilfe aus dem Ausland munter weiter: Innerhalb von fünf Jahren erhielt Uganda netto (d.h. abzüglich des Schuldendienstes) mehr als eine Milliarde Dollar Finanzhilfe. Trotzdem stieg der Schuldendienst in dieser Zeit von 40 auf 70 Prozent der Exporterlöse und als Museveni im Januar 86 schließlich die Macht übernahm, fand er die Staatskassen leer und die Auslandsverschuldung auf 600 bis 800 Mio. Dollar gestiegen. Dies ist zwar im internationalen Vergleich keine erschreckende Summe, wohl aber für ein Land, das zur Erwirtschaftung von Devisen von einem einzigen Gut abhängt, dessen Erträge gerade die Ausgaben für die Erdöleinfuhren decken. So legte Museveni als erstes einen wirtschaftlichen Notstandsplan vor, mit dem er im Ausland um Unterstützung in Höhe von 160 Mio. Dollar nachsuchte. Tatsächlich kamen jedoch trotz gegenteiliger Beteuerungen bislang nur 60 Mio. zusammen. Die Bundesrepublik, die zu den „großzügigsten“ Geberländern gehört, gewährte Uganda jene prioritäre Hilfe, die nach der in Bonn geltenden Doktrin den „am wenigsten entwickelten Ländern“ zukommen soll: zuviel zum Sterben, zu wenig zum Leben und auf jeden Fall nichts, womit sich ein Wiederaufbau finanzieren ließe. Paris strich Uganda unter Obote die Unterstützung wegen der vielen Menschenrechtsverletzungen und nahm sie bis dato nicht wieder auf, - wohl weil der eigene westafrikanische Hinterhof schon teuer genug kommt und es in Uganda aus Pariser Sicht politisch und wirtschaftlich mittelfristig nichts zu holen gibt. Und Großbritannien hatte das früher oft als „Perle Afrikas“ bezeichnete Land am Victoriasee ohnehin aufgegeben, seit Idi Amin 1972 mit der Ausweisung von 150.000 Indern und Pakistanern die Mittler britischer Wirtschaftsinteressen aus dem Land jagte. Der neue Voluntarismus Doch es wäre unredlich, Uganda nur als Opfer zu sehen. Denn die Regierung ihrerseits hat auch nicht allzuviel beigetragen, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Nach wie vor gibt es keinen Rahmenplan mit Orientie rungslinien für den Wiederaufbau, und das Budget (das zumindest implizit wirtschaftspolitische Grundsätze zum Ausdruck bringt) kam erst mit monatelanger Verspätung zustande. Allein drei Entwürfe des liberalorthodoxen Finanzministers Mulema wurden vom „Nationalen Widerstandsrat“ ohne nähere Begründung oder öffentliche Diskussion rundweg abgelehnt und der am 25. August schließlich verabschiedete Haushalt bedeutet eine radikale Abkehr vom zuvor eingeschlagenen Pfad IWF–inspirierter Wirtschaftspolitik. Die bisherige Austeritätspolitik wurde in ihr Gegenteil verkehrt: Die Beamtengehälter wurden um 50 Prozent angehoben, was durch eine Erhöhung der Steuern für Alkohol, Tabak, Benzin und Zucker finanziert werden soll. Um der Probleme im Zahlungsverkehr mit dem Ausland Herr zu werden, beschloß die Regierung, die Parität des Schilling zum Dollar neu festzusetzen: Über Nacht stieg die einheimische Währung auf dem Papier um das dreifache ihres Wertes. Die Regierung begründet die neue Dollarparität mit dem Ziel, „den Bauern und der heimischen Industrie billige Importe verfügbar zu machen und so die Wirtschaft in Gang zu bringen“. Tauschabkommen mit progressiven Ländern sollen zusätzlich dazu beitragen, daß Uganda der „kapitalistischen Weltmarktlogik“ entgeht. Dies muß jedoch ein frommer Wunsch bleiben in einem Land, dessen Kaffeernte 97 Prozent der Export erlöse einbringt. „Unser Land hätte heute wahrscheinlich überhaupt nichts mehr zu exportieren, wenn der Kaffeeanbau nicht Zeiten langer Vernachlässigung überstünde“, stellte Finanzminister Mulema zu Recht in seiner Budgetrede fest. Und auch das erste abgeschlossene Tauschabkommen gibt zu keinerlei Hoffnungen Anlaß: Anfang August kamen Yoweri Museveni und Burkina Fasos Thomas Sankara überein, zukünftig burkinabeische Decken gegen ugandische Edelhölzer zu tauschen. Dagegen wäre an sich nichts einzuwenden, gehörten nicht ausgerechnet Decken zu den wenigen Dingen, die in Uganda selbst produziert werden und wären nicht Edelhölzer für Burkina ungleich billiger in den benachbarten westafrikanischen Staaten Elfenbeinküste und Ghana zu haben. Konflikte mit den Händlern Ferner wird die ugandische Regierung mangels auf dem Weltmarkt erwirtschafteter Devisen sehr restriktive Importlizenzen vergeben müssen, damit nur das „absolut Unerläßliche“ eingeführt wird. Was aber unerläßlich ist und wer damit Profit machen darf, wird von der Verwaltung festgelegt,– mit allen Risiken autoritär–bürokratischer Bevormundung und Korruption, vom Wiederaufblühen des „Magendo“ ganz abgesehen. Auf dem Schwarzmarkt wird der Schilling jetzt schon für ein Sechstel seines Nominalwertes gehandelt. Die Händler, die in der Regel dem volkreichsten Stamm der Bagander angehören, verwenden ihren Spürsinn darauf, die bestehenden Versorgungslücken auf dem Schwarzmarkt zu schließen. Dies gilt z.B. für den ewig knappen Zucker, dessen Verteilung vor einigen Monaten in die Hände der auf allen Ebenen eingerichteten Widerstandskomitees gelegt wurde. Schon wird von Wirtschaftssabotage gesprochen, wenn Schwarzmarktprodukte entdeckt werden, und wenn der Einfluß der Widerstandskomitees in diesem Bereich (wie geplant) zunimmt, ist der Konflikt mit den Bagandern absehbar. Doch die überwiegende Mehrzahl der Ugander wird von dem jetzt verabschiedeten Haushaltsentwurf kaum betroffen sein: der Alkohol läßt sich im Bedarfsfall schwarz brennen, die Zigaretten aus Kenia einschmuggeln, die Währungsparitäten sind für den Kleinbauern ebenso unbedeutend wie die Beamtengehälter in der Hauptstadt. Vom Standpunkt der „real existierenden Subsistenzwirtschaft“ aus betrachtet ist der Wirtschaftskurs der Regierung in Kampala sozusagen ein esoterischer Pfad. Ihr Überleben verdanken die Ugander gestern wie heute im wesentlichen ihrem fruchtbaren Boden und der Anarchie der Magendo–Wirtschaft. Bisher erschienen: 7.10. Polit– Diskurs im Verborgenen und Portrait von Yoweri Museveni. 8.10. Unter dem Mantel des Königtums.
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