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Protestwelle überschwemmt die Niederlande

■ Zahlreiche Aktionen in Städten und auf dem Land / 20.000 demonstrierten gegen geplantes neues Paßgesetz / Ausländergesetze sollen verschärft, Universitätsfakultäten geschlossen und Millionenbeträge im Sozialbereich gestrichen werden

Aus Amsterdam Peter Finger

Rund 20.000 Einwanderer, unterstützt von niederländischen Bürgern, folgten am Samstag dem Aufruf der Ausländerorganisation in den Niederlanden. Menschen aus der Türkei, Griechenland, Jugoslawien, Italien, Marokko, Spanien, Tunesien, den Kapverdischen Inseln und Palästina demonstrierten unter dem Motto: „Kein Paßgesetz, sondern gleiche Rechte“ gegen die Verschärfung des Ausländerrechts. Am 17. November wird im niederländischen Parlament eine Änderung des seit 1979 bestehenden Gesetzes „Arbeit für ausländische Arbeitnehmer“ beraten, die neben vielen repressiven Maßnahmen vier Schwerpunkte enthält: Jeder Ausländer soll verpflich tet werden, seinen Paß unaufgefordert bei allen öffentlichen Institutionen vorzuzeigen. Bisher war dies nur gegenüber der Polizei notwendig. Jeder ausländische Arbeitnehmer, der in den ersten sieben Jahren seines Aufenthaltes in den Niederlanden „aus eigener Schuld“ arbeitslos wird, soll ausgewiesen werden, ebenso jeder Arbeitnehmer, der in den ersten fünf Jahren „schuldlos“ arbeitslos wird. Ausweisung droht auch jedem Ausländer, der in den ersten zehn Jahren die „öffentliche Ordnung“ stört. Die Ausländerorganisationen sehen in dieser Verschärfung des neuen niederländischen Ausländerrechts eine Art Apartheids–Regelung. Am Sonnabend fand auch eine Demonstration aus Anlaß des ersten Jahrestages des Raketenstationierungs–Beschlusses der niederländischen Regierung in Amsterdam statt. Das Komitee Südliches Afrika organisierte eine Demonstration in Alkmar und in der neuen Kirche in Amsterdam protestierten Sinti und Roma gegen die Ausländerpolitik der Regierung. Die vier Demonstrationen am Wochenende sind Teil einer Protestwelle, die die Niederlande seit Wochen überschwemmt. Die Schließung ganzer Fakultäten, z.B. der Zahnmedizin, Sprachwissenschaft und Sozialwissenschaft, hat in den vergangenen Wochen zu Protestaktionstagen in den Universitäten im ganzen Land geführt. Auf die Streichung des Vorschulunterrichts reagierten die Niederländer mit der Sammlung von 1,7 Millionen Unterschriften, und eine Protestkundgebung zu diesem Thema fand zwei Wochen zuvor in Den Haag statt. Am letzten Mittwoch wurde aufgrund der Streichung von 120 Millionen Gulden im sozial–kulturellen Bereich eine Großdemonstration in Den Haag veranstaltet. Die Demonstrationen und Aktionen sollen in den großen Städten und auf dem Lande in den nächsten Wochen fortgesetzt werden.

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