piwik no script img

Die Dünnen sind verdächtig

■ Mit Humor und Zynismus geht das westafrikanische Ghana mit der wachsenden AIDS–Angst um / Während in Europa über die afrikanische Herkunft des Virus spekuliert wird, gilt dort AIDS als Krankheit der Weißen / Die Infektion gilt eindeutig als heterosexuelles Problem

Von Baffour Ankomah

Die Bewohner Ghanas sind humorvolle Menschen. Das ist bekannt. Auch nach Jahren des ökonomischen Niedergangs haben sie das Lächeln nicht verlernt. Und,– was noch mehr erstaunt - sie können sogar über AIDS scherzen, die tückische unheilbare Virusinfektion, die nicht nur in Europa, sondern auch in vielen afrikanischen Staaten epidemische Ausmaße anzunehmen droht. Mit Witzen wird die Angst vor der Krankheit überspielt. Mit Worten wie „Carrier“ (Virusträgerin) oder „Aquired“ (Infizierte) werden Mädchen auf der Straße angemacht, wenn sie abgenommen haben. Die Logik dahinter ist, daß AIDS–Kranke in der Regel schnell an Gewicht verlieren. Zwar entsprachen die ghanaischen Vorstellungen von Schönheit schon vor der Entdeckung des Virus nicht den europäischen (statt den hiesigen Appetitzüglern werden in Ghana Medikamente genommen, um zuzunehmen). Doch seit dem Ausbruch der AIDS–Hysterie versuchen junge Mädchen mehr denn je, möglichst viel Fett anzusetzen. Als besonders gefährdet gelten Ghanaer, die nach längerem Aus landsaufenthalt nach Afrika zurückkehren. Im Gegensatz zur europäischen Version, daß AIDS aus Afrika kommt, glauben Ghanaer fest daran, daß es sich um eine Krankheit des „weißen Mannes“ handelt. Diese Überzeugung hat sogar schon einige second hand shops in Accra ruiniert. Die Kunden befürchten, sie könnten sich durch das Tragen gebrauchter europäischer Kleidung anstecken. Und in der Tat zeigen die Statistiken einen gewissen Zusammenhang zwischen AIDS–Infektion und Auslandsaufenthalt. Von 735 Blutproben, die das Nationale AIDS–Komitee im letzten halben Jahr untersuchte, waren 18 positiv. 13 der Infizierten waren Frauen, von denen die meisten eine Zeit lang als Prostituierte in der benachbarten Elfenbeinküste gearbeitet hatten. Ghanas allererste AIDS–Fälle kamen gar nachweislich aus Hamburg, wo sich zwei afrikanische Prostituierte angesteckt hatten. Alle bekannten Virusträger(innen) sind entweder Prostituierte oder Männer, die mit Prostituierten Kontakt hatten. So ist AIDS in Ghana eindeutig und im Gegensatz zu Europa ein heterosexuelles Problem. Viele lokale AIDS–Forscher glauben zwar, daß der Virus mehr in den Krankenhäusern durch die Mehrfachbenutzung nichtsteriler Nadeln übertragen wird als im Bett. Doch die Aussichten, ihn in den Kliniken zu bekämpfen, sind gering. Es fehlt einfach an Geld und Devisen, um für alle Patienten Einwegspritzen zu besorgen. So beschränkt sich der Kampf gegen die Krankheit vorerst auf sporadische Aufklärungskampagnen und Predigten in der Kirche. Besonders die methodistenkirche in Kumasi ist berühmt dafür. Doch viele der Männer, die den Mädchen „Carrier“ und „Aquired“ zurufen, haben keine Angst vor AIDS, sondern wollen nur, daß ihre Freundinnen zunehmen. Baffour Ankomah ist Herausgeber der ghanaischen Zeitung „Kumasi Pinoneer“. Der Beitrag ist der neuesten Ausgabe des New African entnommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen