: P O R T R A I T Der große Dünne mit den langen Armen
■ Am Wochenende starb Cary Grant im Alter von 82 Jahren in Damenport / Iowa Er galt als einer der elegantesten Männer, die Hollywood jemals hatte / Für Hitchcock war er ein „geschickter Überredungskünstler und verantwortungsloser Playboy“
Vor kurzem war er im TV in „Ich war eine männliche Kriegsbraut“ zu sehen. Grants Hauptproblem war in diesem Film: Er findet kein Bett zum Schlafen. So sieht man einen ganzen köstlichen Spielfilm lang, wie Cary Grant nicht weiß, wohin mit sich und seinen Gliedmaßen. Er schläft auf einem Stuhl, knickt die Beine ab, verschränkt die Arme drüber und drunter, versucht es mit der Lehne als Ablage für die Unterschenkel, stützt das Kinn in die rechte Handfläche und betrachtet derweil seine Linke, als sei sie die Hand eines Fremden. Schließlich schläft er ein, verkantet und verknotet, nach einem Slapstick–Solo wie in den schönsten Kurzfilmzeiten. Ähnlich kämpft er später mit einer Badewanne, die nach dem Stuhl geradezu einen Luxus–Schlafplatz darstellt. Kein anderer Hollywoodstar kann so wunderbar deplaziert und linkisch sein wie Cary Grant. Dabei war er einer der elegantesten Männer, die Hollywood je hatte; Clark Gable wirkte neben ihm wie ein Provinzdepp. Als er schon fast 80 war, spielte Archibald Alexander Leach, der sich seit 1931 Cary Grant nannte, noch einmal mit dem Gedanken, einen Film zu machen; er wolle es den jungen Männern, die nicht küssen könnten, einfach noch einmal zeigen, sagte er einem Journalisten. Im Alter von 15 Jahren kam Grant, 1904 in Bristol in Großbritannien geboren, mit einer Akrobatentruppe in die USA. Auf Empfehlung von Mae West engagierte ihn die Paramount 1931 für seine erste Filmrolle. Als 1937 sein Paramount–Vertrag auslief, wurde er Hollywoods erster Schauspieler, der nicht fest an eines der großen Studios gebunden war. Seine große Zeit waren die 40er und 50er Jahre: Frank Capras Arsen und Spitzenhäubchen (1944), Howard Hawks Ich war eine männliche Kriegsbraut (1949), und Hitchcocks Verdacht (1941), Berüchtigt (1946), Über den Dächern von Nizza (1955) und Der unsichtbare Dritte (1959). Für Hitchcock repräsentierte er „das, was dieser gern selbst gewesen wäre: der geschickte Überredungskünstler und verantwortungslose Playboy (“Suspicion“), ... der Retter einer Blondine, die er fast zerstört (“Notorious“), der fälschlicherweise beschuldigte Held, der die strahlend schöne Grace Kelly erobert (Über den Dächern...) und schließlich (Der unsichtbare Dritte) der Angestellte, der nur mal eben ins Theater will und nach einer hektischen, gefährlichen Irrfahrt schließlich die Blondine von Spionen befreit und in sein Bett zieht.“ (Donald Spoto, Alfred Hitchcock) Grants „Fach“ war der (mal mehr, mal weniger zwielichtige) Gentleman von strahlend eleganter Erscheinung, präzisem Witz und dezenter Selbstironie. Sein Spiel überließ dem Zuschauer immer selbst die Entscheidung, wie ernst dieser unübertrefflich charmante Mann zu nehmen sei. chp/Nothnagel
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