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Sieg der irischen Abtreibungsgegner

■ In einem Prozeß gegen zwei Dubliner Frauen–Beratungsstellen, die auf Abtreibungsmöglichkeiten in England hinweisen, gewannen die Kläger

Aus Dublin Ralf Sotscheck

Am Freitag gab ein irisches Gericht der Klage der „Society für the Protection of Unborn Children“ (SPUC - Gesellschaft zum Schutz ungeborener Kinder) gegen zwei Dubliner Frauenberatungsstellen statt. SPUC hatte gegen „Open Line“ und das „Well Woman Centre“ geklagt, um den beiden Beratungsstellen gerichtlich verbieten zu lassen, Klientinnen auf die Möglichkeit einer Abteibung in England hinzuweisen. Ruth Riddick von der Frauenberatungsstelle „Open Line“ hat das Urteil vom Freitag als „schwarzen Tag für irische Frauen“ bezeichnet. Das Frauenzentrum will nun im Januar vorerst dichtmachen. Die der katholischen Kirche nahestehende SPUC hatte das erste Mal von sich Reden gemacht als treibende Kraft hinter der Kampagne für ein konstitutionelle Abtreibungsverbot, das 1983 per Volksentscheid durchgesetzt wurde. Da Abtreibung auch vorher schon gesetzlich verboten war, blieben unverheirateten Schwangeren weiterhin nur wenige Möglichkeiten: zur Abtreibung nach England fahren, das Kind zur Adoption freigeben, oder als ledige Mutter in einer feindseligen Umgebung leben. Selbst der Bischof von Dublin, OMahony, gab zu, daß sich die gesellschaftliche Ablehnung unverheirateter Mütter in den letzten zehn Jahren eher verschärft habe - nicht nur aus moralischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen: Die sich ständig verschlechternde ökonomische Situation habe dazu geführt, daß viele Menschen ledige Mütter wegen der Sozialleistungen als Parasiten ansehen. 1985 zogen es 3.088 Frauen vor, in eine Abtreibungsklinik nach England zu gehen. Die beiden Frauen–Beratungsstellen gaben vor Gericht zu, daß sie Frauen auf die Möglichkeit einer Abtreibung in England aufmerksam machen, betonten aber, daß die Schwangerenberatung nur einen Bruchteil ihrer Arbeit ausmache. Im übrigen verstoße die Abtreibungsberatung gegen kein Gesetz, da ein EG–Abkommen aus dem Jahr 1973 allen Bürgern der Gemeinschaft das Recht zugestehe, Dienste im Rahmen der Gesetzgebung eines anderen EG–Landes in Anspruch zu nehmen. Richter Hamilton befand sich in einem argen Dilemma. Zwar steht das Leben des ungeborenen Kindes seit 1983 gleichberechtigt neben dem der Mutter, aber der irische Senat hat es tunlichst vermieden, Folgegesetze zu verabschieden. Wer soll also bei Lebensgefahr für eine Schwangere entscheiden, wer „mehr Recht auf Leben“ hat - die Mutter oder das Kind? Hamilton machte keinen Hehl aus seinen Schwierigkeiten, in einem Prozeß „zwischen drei GmbHs über eine nicht existente Mutter und ein noch nicht mal ungeborenes Kind“ entscheiden zu müssen. Nach viertägiger Prozeßdauer erklärte er im Oktober, daß er mindestens sechs Wochen bis zur Urteilsverkündung brauche. Wegen der Bedeutung des Urteils und des großen Interesses nicht nur unter Juristen gilt es als sicher, daß die Frauenzentren in die Berufung vor das höchste irische Gericht, den Supreme Court, gehen werden. In den letzten Wochen sind überall in Dublin Plakate mit dem kurzen, aber deutlichen Text „SPUC OFF“ aufgetaucht (in Anlehnung an das noch explizitere „Fuck off“). Moralbewußte Bürger konnten die Plakate gar nicht so schnell abreißen, wie sie nachgeklebt wurden. Hinter der Plakataktion steckt eine Gruppe junger Leute, die anonym bleiben wollen. In einem Fernsehinterview, in dem nur ihre Silhouetten zu sehen waren, erklärten zwei von ihnen die Beweggründe: „Wir haben einfach die Schnauze voll von diesem katholischen Staat. Das Scheidungs–Referendum war der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte.“ Warum sie denn nicht offen aufträten? Schließlich lebten sie doch in einem demokratischen Staat. „Seit Jahren reden die Bischöfe von einer Verschwörung gegen die katholische Kirche. Jetzt haben sie die endlich.“

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