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Angst vor dem fremden Land Marokko

■ 18 Jahre lebte der 25jährige Marokkaner Brahim Barhouch in der Bundesrepublik / Nach dem Verlust seines Passes wird er nach Marokko, in ein Land, das er nicht kennt, abgeschoben / Nach Rückkehr in die Bundesrepublik droht ihm nun erneut die Abschiebung

Aus Frankfurt Heide Platen

Brahim Barhouch ist 25 Jahre alt, 18 davon hat er in der Bundesrepublik gelebt. Er hat hier geheiratet, als seine deutsche Freundin ein Kind bekam. Die Ehe scheitert, Brahim ist unterhaltspflichtig für seinen Sohn.Er hat es, glaubt man den Akten, nicht immer leicht gehabt. Manchmal kommt er mit den Unterhaltszahlungen in Verzug, einmal hat er gestohlen, zweimal ein nichtzugelassenes Auto gefahren. Kurzfristig ist er arbeitslos, einmal vergißt er, sich umzumelden und muß ein Bußgeld zahlen. All das ist nichts, was nicht vielen Einwohnern dieses Landes so oder ähnlich widerfährt. Zum Fall wird Brahim, der in Marokko geboren und als Siebenjähriger von seinem Vater in die Bundesrepublik geholt wurde, erst, als er seinen marokkanischen Paß verliert. Da er keinen Paß, hat verlängert die Ausländerbehörde seinen Aufenthalt nicht. Brahim fährt zum marokkanischen Konsulat, um einen Paß zu beantragen. Dort sagt man ihm, er solle in drei Monaten wiederkommen. Am 17. April 1986 wird er festgenom men, nach seinem Ausweis gefragt und, als er diesen nicht vorweisen kann, noch am selben Tag in ein Flugzeug gesetzt, das in Casablanca landet. Dort steht er hilflos, kennt keinen Menschen, spricht die Sprache nicht. Er kommt für drei Wochen ins Gefängnis. Fünf Monate lang versucht er, an einen Paß zu kommen, zahlt Geld für Übersetzungen, Schmiergelder an die Behörden, drängt immer wieder auf seinen Paß. Sein beharrliches Drängen bringt ihn fast wieder ins Gefängnis. Er erfährt dann, daß er seinen Paß nur beim marokkanischen Generalkonsulat in Frankfurt beantragen kann. Dazu schreiben seine Rechtsanwälte: „So steckte er in einer Zwickmühle, da er einerseits keinen Paß bekam und andererseits aber auch kein Visum, um wieder in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren.“ Brahim löst das Problem auf seine Weise. Er setzt sich in ein Flugzeug und reist illegal wieder in die Bundesrepublik ein. Auf dem marokkanischen Konsulat verlangt er erneut einen Paß, wird aber vertröstet. Am 17.10.86 nimmt ihn die Polizei fest und steckt ihn ins Gefängnis. Er soll wieder nach Marokko abgeschoben werden. Das Amtsgericht Worms lehnt den Widerspruch seiner Rechtsanwälte gegen den Abschiebebeschluß am 27. Oktober ab. Es legt Brahim Barhouch dabei sowohl die Arbeitslosigkeit als auch die Scheidung und sein schmales Sündenregister zur Last. Es berücksichtigt nicht, daß er für seinen Sohn unterhaltspflichtig ist, in der Bundesrepublik seine Mutter unterstützen muß und auch nicht, daß er 18 Jahre in der Bundesrepublik lebte und keinerlei Bezug zum Leben in Marokko hat.

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