Privatisierung gut plaziert

■ VEBA– und VW–Aktien sollen den Kleinaktionär im Wähler beglücken und dem Bund Geld bringen

Bonn (dpa/ap/taz) - Gut getimed verkündete zum Anfang der letzten Woche der Kampagne um die Wählergunst Bundesfinanzminister Stoltenberg die Absicht, die Bundesanteile am Energiegiganten VEBA und dem Automobilmulti VW zu verkaufen. Die lange bekannten Pläne wurden nun präzisiert: im März sollen die VEBA–Aktien ein breitgestreutes Kleinanleger–Publikum beglücken, im Verlauf des Jahres darf dann auch bei VW–Aktien zugegriffen werden. Bereits von 1983 bis 1986 sind laut Stoltenberg 51 mehrheitliche Bundesbeteiligungen veräußert, verringert oder aufgegeben worden. So wurden bereits 1984 Teile der VEBA und danach der im Bereich Energie, Aluminium und Chemie tätigen VIAG sowie der bei Transport und Wehrtechnik aktiven IVG versilbert. Die jetzt in Bonn verkündete Aktion hat jedoch schon rein quantitativ eine andere Dimension: allein aus dem Verkauf der VEBA–Anteile würden dem Bund Sondereinnahmen von rund drei Mrd. Mark zufließen. Hiermit wird eine neue Privatisierungswelle eingeleitet: Stoltenberg nannte eine Reihe weiterer Kandidaten und ging sogar so weit, nach der Wahl Überlegungen zur Privatisierung der Lufthansa anzukündigen. SPD– Wirtschaftsexperten kritisierten die Stoltenbergsche Politik massiv als „Ausverkauf“ und „Verschwendung von Bundesvermögen“, weil der Finanzminister entgegen unternehmerischen Usancen den Verkauf bei fallenden und nicht bei steigenden Kursen betreibe. Grund für diese Hast sei der Druck, schnell die im Haushalt 1987 bereits sichtbar werdenden Löcher zu stopfen. Die kritische Position der SPD ist jedoch sehr schwierig, solange Stoltenberg darauf hinweisen kann, daß insbesondere bei Belegschaften ein großes Interesse besteht, als Kleinaktionär Unternehmensanteile zu erwerben. Die Ansprache des Wahlbürgers als Volksaktionär zielt mitten in die Klientel der SPD. Georgia Tornow