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Noch höhere Ausfuhr: Gefahr für Arbeitsplätze

■ Wahlkampfschlager Export: Ökologischer Umbau muß Arbeitsplätze nicht gefährden / In Sachen Umwelttechnologie großer Nachholbedarf auf dem Weltmarkt

Von Bernhard Roth

Produktionsverbote für lebensgefährdende chemische Stoffe, Abschaltung der Kernkraftwerke, Umstellung auf eine ökologische Landwirtschaft, Einschränkung und scharfe Kontrolle der Genmanipulation: Sind solche Alternativen angesichts der weitreichenden weltwirtschaftlichen Abhängigkeiten der BRD überhaupt noch machbar? 1986 wurden 34 Prozent des Sozialprodukts exportiert und über 30 Prozent importiert. Seit 1960 haben sich die Export– und Importanteile verdoppelt. Jeder vierte Arbeitsplatz ist direkt oder indirekt vom Export abhängig, in der Industrie sogar 40 Prozent. Selbst wenn man gegenrechnet, daß ein Teil der Importe durch eine nationale Produktion ersetzbar wäre und durch eine solche Substitution Arbeitsplätze im Land neu geschaffen werden könnten, hängen laut ifo–Institut per Saldo eine Million Arbeitsplätze an der gegenwärtigen Weltmarktverflechtung. Bei den großen Konzernen wird heute ca. die Hälfte des Umsatzes im Ausland abgewickelt. Kurzum, die BRD ist einem historisch einmaligen Ausmaß mit der Weltwirtschaft verflochten, Produktion und Beschäftigung in hohem Maße auslandsabhängig. Umweltschutz schreibt sich heute jede Partei auf die Fahnen. Interessant wird es erst, wenn es um konkrete Forderungen geht, um durchgreifende Verbote und Gebote, um kostenaufwendige Umweltmaßnahmen und um Eingriffe in die Forschungs– und Technologiepolitik. Ein Produktionsverbot für Kernkraftwerke - auch für den Export -, eine Einschränkung der Genforschung usw., und schon ist das Geschrei groß, „unsere“ internationale Wettbewersbfähigkeit sei in Gefahr. Zwar entblödet sich heute kaum noch jemand, einer verstärkten Umweltpolitik pauschal arbeitsplatzvernichtende und wettbewerbsschädigende Folgen anzudichten. Aber im konkreten Fall bleibt der Hinweis auf die gefährdete internationale Wettbewerbsfähigkeit doch das Totschlagargument, die Generalabsolution für den Export jeder Sauerei und für die skrupellose Entwicklung menschengefährdender Technologien. Und das Argument zieht, nicht nur bei technokratischen Seelen. Zu sehr ist die Erfahrung verbreitet, daß der eigene Arbeitsplatz etwas mit Dollarkurs, mit der japanischen Konkurrenz oder mit Billigländern zu tun hat. Man kann nicht darüber hinweggehen: Von der hohen Weltmarktverflechtung der BRD gehen große Gefahren und Erschwernisse für eine ökologische und soziale Umgestaltung der BRD aus. Aber die Gefahren einer Fortsetzung des exportorientierten Wachstumsmodells der BRD sind unvergleichbar größer. Von der damit einhergehenden Umweltzerstörung einmal abgesehen, dieser Weg macht auch die Arbeitsplätze nicht sicherer. Der exportgetragene Aufschwung der letzten Jahre zeigt, das mit den Ausfuhroffensiven arbeitsmarktpolitisch kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist. Bestenfalls 20.000 bis 30.000plätze würden - laut ifo–Institut - gewonnen, wenn die westdeutschen Unternehmen noch ein paar Prozentpunkte mehr WeLtmarktanteile erkämpften. Selbst wenn dieser zusätzliche Export von Arbeitslosigkeit ins Ausland gelänge, die Risiken für die Arbeitsplätze sind offensichtlich. Die Währungsturbulenzen der letzten Zeit, handelskriegsartige Auseinandersetzungen, die schwelende Schuldenkrise macht sichtbar, an welchem seidenen Faden das Exportmodell Deutschland heute hängt. Sicherung von Arbeitsplätzen erfordert deshalb heute Ausstieg aus dem exportgesteuerten Wachstum und die Umlenkung der Ressourcen zu einem binnenwirtschaftlich getragenen ökologischen Wirtschaften. Einer Abkopplung vom Weltmarkt wird hier nicht das Wort geredet. Zum einem wäre dies ein teurer Verzicht auf Vorteile einer internationalen Spezialisierung, zum andern ist dies unrealistisch, da die BRD - auch bei ökologischem Wirtschaften - langfristig auf Importe und damit auch auf Exporte angewiesen sein wird. Exporte sind deshalb nicht per se etwas „Schlechtes“. Es wäre deshalb falsch, sich von Weltmarktapolotegen, durch die Scheinalternative „hier weltmarktgängige Hochtechnologie, dort biedere Umweltpolitik“ in die Ecke stellen zu lassen. Alternativenergien, umweltgerechte Güter, ökologische Produktionsverfahsind Zukunftsprodukte, sind teilweise auch Hochtechnologiegüter, für die weltweit ein wachsender Bedarf besteht. Eine umweltschutzbedingte Verteuerung dieser Produkte muß dabei kein Hemmnis sein: Die Exportpalette der BRD setzt sich traditionell aus qualitativ hochwertigen Produkten zusammen, bei denen der Preis nur überhalb einer relativ hohen Schmerzgrenze verkaufsentscheidend ist. Auch Umweltschutzgüter gehören zu dieser Art von Produkten. Allerdings droht in diesem Bereich - mehr als bei der vielbeschriebenen Mikroelektronik - eine Forschungslücke. In seiner Strukturbericthterstattung stellt das ifo–Institut einen Rückstand der BRD–Unternehmen in den Bereichen Umweltschutz, Energiesparung und regenerative Energiequellen fest. In diesem Bereich haben andere Länder deutlich mehr Patente angemeldet, während die BRD eher in den umweltgefährdenden Gegenpolen, der Erforschung von Pestiziden, Herbiziden und der chemischen Bodenbearbeitung dominiert. Sicher, für eine binnenorientierte ökologische Umgestaltung steht der Exportaspekt nicht im Zentrum. Aber sie darf sich auch nicht den Schuh anziehen lassen, blauäugig die Notwendigkeit von Exporten zur Finanzierung unabdingbarer oder vorteilhafter Importe zu übersehen. Allerdings: Um glaubwürdig zu bleiben, müßte eine alternative Wirtschaftspolitik in einem ersten Schritt die Leistungsbilanzüberschüsse abbauen, z.B. durch ein Ausfuhrverbot von chemischen und pharmazeutischen Produkten, die in der BRD nicht mehr vertrieben werden dürfen, durch ein Verbot von Rüstungsexporten, durch den Abbau der direkten und vor allem der indirekten Exportförderung. Eine alternative Energie– und Rohstoffpolitik würde dagegen längerfristig die Einfuhr mindern und von dieser Seite den Exportbedarf abbauen. Der ökologische Umbau der Landwirtschaft berührte sowohl den Import (Futtermittel aus den Entwicklungsländern) als auch den Export (Überschußproduktion). Diese Beispiele sollen illustrieren, daß eine Reduktion der Außenhandelsverflechtung der BRD eher das Resultat eines ökologischen Umbauprogramms, nicht aber deren primäres Ziel ist. Im Saldo ist dabei eher mit Arbeitsplatzgewinnen zu rechnen: Untersuchungen zeigen, daß eine ökologisch ausgerichtete Wirtschaft mehr Arbeitsplätze bringen kann als der gegenwärtige weltmarktorientierte Produktionstyp. Dies heißt allerdings nicht, daß die Umstellung arbeitsmarktpolitisch reibungslos verlaufen wird. Arbeitsplatzverlusten in bestimmten Branchen und Regionen werden Gewinnen anderswo gegenüberstehen. Dr. Bernhard Roth ist Außenhandelsexperte an der Universität Bremen

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