Giftmüllnotstand

■ In Rheinland–Pfalz wurden illegale Zwischenlager entdeckt / Giftmüllverbrennungsanlage geplant

Aus Mainz Felix Kurz

Einen verheerenden Giftmüllnotstand hat der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) jetzt in Rheinland– Pfalz ausgemacht. Mindestens sechs illegale Zwischenlager hochgiftiger Substanzen, teilweise innerhalb der Gemeinden, sind die Folge der aktuellen Misere, so Andreas Fußer, Leiter des Arbeitskreises Abfallwirtschaft beim BUND, gestern auf einer Pressekonferenz in Mainz. So sind mitten in einem Wohngebiet in Bingen rund 500 Fässer mit Laborchemikalien, Farb–, Lack–, und Lösungsmittelresten in einem baufälligen Gebäude gelagert. Die Anwohner wurden nur durch Zufall auf die chemische Zeitbombe aufmerksam. Weder ein Feuerlöscher noch sonst irgendeine Schutzvorrichtung gegen Wasser gibt es in Bingen. Nicht einmal die lokale Feuerwehr ist über die Lagerung der gefährlichen Fracht informiert. Fortsetzung auf Seite 2 Der schlechte Schüler Mit dem Kopf sagt er nein doch er sagt ja mit dem Herzen er sagt ja zu allem was er liebt er sagt nein zu seinem Lehrer er steht aufrecht man befragt ihn und alle Aufgaben sind gestellt als plötzlich ein tolles Lachen ihn befällt und er löscht alles aus die Wörter und die Zahlen die Daten und die Namen die Sätze und die Qualen Und den Drohungen des Lehrers zum Trotz unter dem Geschrei der Wunderkinder zeichnet er mit Kreiden in allen Farben auf die schwarze Tafel des Mißgeschicks das Angesicht des Glücks. Jacques Prevert Doch Bingen ist in Rheinland– Pfalz kein Einzelfall. In Ellerstadt bei Bad Dürkheim findet sich ein weiteres illegales Lager. Die mit dem rheinland–pfälzischen Monopol für die Beseitigung des Giftmülls ausgestattete GBS (“Gesellschaft zur Beseitungung von Sondermüll“, Gesellschafter sind dort zu je einem Drittel die Industrie, die Kommunen und das Land) lagert den Problemmüll auf ihrer zentralen Giftkippe ausgerechnet in einem großen Festzelt. Im vergangenen Jahr wurde es selbst der Bezirksregierung Rheinhessen–Pfalz zu bunt, und man untersagte der GBS zeitweise den Weiterbetrieb der Sammelstelle. Dort hatte man unter anderem per Hand und ohne jegliche Absauganlage oder Aktivkohlefilterung leichtflüchtige Lösungsmittel von Klein– in Großgebinde umgeschöpft. Wie die taz erfahren konnte, sind inzwischen für sechs illegale Giftmüllzwischenlager Anträge beim Umweltministerium gestellt worden, um wenigstens diese auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Betroffen davon ist auch das Binger Giftdepot. Geplant ist auch eine neue Giftmüllverbrennungsanlage in der Eifelgemeinde Kaisersesch in einer Größenordnung von 60.000 Jahrestonnen. Die bisher bekanntgewordenen wilden „Sondermülldeponien“ stellen nach Auffassung von Andreas Fußer (BUND) einen „unkalkulierbaren Gefahrenherd für die Bevölkerung“ dar. Gleichzeitig würden diese illegalen Zwischenlager allerdings auch deutlich machen, daß es mit der Einsammlung und Verwaltung der giftigen Stoffe nicht getan sei. Dabei werden in Rheinland–Pfalz 95 bis 99,5 gar nicht eingesammelt. Doch bereits jetzt gibt es keinerlei legale und sichere Lagerkapazität für den giftigen Dreck. Pikante personelle Verquickungen gibt es in Rheinland–Pfalz vor allem bei der GBS. Dort ist zum einem die Industrie beteiligt, und zum anderen ist der Geschäftsführer der GBS auch noch bei der Bezirksregierung angestellt.