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G A S T K O M M E N T A R Gewinn für Europa

■ In Moskau tagt das Friedensforum

Nein, man sollte das nicht überbewerten, tönt es aus den Kommentaren: Diese Meldungen, die fast täglich aus Moskau kommen, die - weil sie sich nicht in unser Bild von der Sowjetunion fügen - irgendwo in den Nachrichtenteilen der Zeitungen vergraben werden. Mit wieviel Korrespondentenberichten oder gar Sondersendungen wären die deutschen Fernsehanstalten dabei, wenn die Sonne eines weltweiten Forums für Künstler, Publizisten und Politiker über Washington aufgehen würde, ein Friedensforum, auf dem auch der Nobelpreisträger Sacharow spricht. Der Beachtung für uns wäre wert, daß das Fernsehen des anderen deutschen Staates nicht minder verklemmt reagiert und in seiner Berichterstattung den Auftritt Sacharows in Moskau ausklammert. Ein Ausdruck von Hilflosigkeit und Schlimmerem - wer da an Goebbels und Co. denkt. Da ist einer auf dem Weg, das Land und seine Bürger mit sich selbst zu versöhnen. Es sind nicht nur überfällige Wirtschaftsreformen, sondern zu verzeichnen ist eine Umkehrung der politischen Wirklichkeit. Der verfemte und verleumdete Dissident Sacharow wird Ehrengast, von Stalin ermordete und aus der Geschichte getilgte Politiker erhalten wieder einen Namen, die Stimme von Schriftstellern ist so gewichtig, daß ihr Einspruch ein ökologisches Wahnsinnsprojekt verhindert. Die Sprache kann wieder mit dem Reichtum aller ihrer Dichter leben. Das Kino ist Ort geschichtlicher Wahrheitsfindung und trauriger Selbstbesinnung. Es geht nicht nur um die Frage, wieviel militärische Abrüstung zu gewinnen ist, es geht um die Tatsache, daß Europa reicher wird um ein Land mit politischer Kultur. Dirk Sager (ZDF–Korrespondent in Moskau von 1980–84, heute Leiter des ZDF–Magazins „Kennzeichen D“)

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