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Paris verbietet Schwulenzeitschrift

■ Der französische Innenminister sorgt für Moral / Gai–Pied unterliegt Zensur–Maßnahmen / Protestaktionen organisiert

Aus Paris Georg Blume

Dr französische Innenminister Charles Pasqua will hart durchgreifen. Der Scharfmacher der Chirac–Regierung wagt die Pressezensur. Mit Schreiben des Innenministeriums vom 16. März sind ab sofort in Frankreich fünf Monats–Sexblätter verboten. Fünf weiteren Zeitungen wurde ein Verbot innerhalb von fünfzehn Tagen angekündigt, darunter auch die führende französische Schwulenzeitung Gai–Pied. Charles Pasqua beruft sich auf ein Gesetz von 1949, das man seit 20 Jahren begraben glaubte. Das Gesetz erlaubt dem Innenminister, Publikationen, die „auf welche Weise auch immer aufgrund ihres unsittlichen oder pornographischen Charakters eine Gefahr für die Jugend darstellen“, zu verbieten. Nichts anderes hat Charles Pasqua nun getan. Für die achtziger Jahre eine Premiere in Westeuropa, zumindest soweit es Sexblätter betrifft. In Frankreich wurde das Zensurgesetz ein letztes Mal im Jahre 1978 unter Giscard angewandt. Es wurden eine Handvoll kleinerer Zeitungen aus der Schwulen– Szene verboten. Heute nun soll mit Gai–Pied, eine florierende Wochenzeitung mit einer Auflage von 40.000 Exemplaren, getroffen werden, deren Idee entstand, um der damaligen Zensur entgegenzutreten. Doch ist man bei Gai– Pied bereits dabei, den Protest zu organisieren. Ein spontan gebildetes Solidaritätskomitee ruft zur Demonstration auf und verfaßte einen Aufruf von Intellektuellen zur „Rettung von Gai–Pied“. Marguerite Duras war Erstunterzeichnerin. „Wir sind eine Zeitung wie jede andere. Wir betrachten die Dinge nur aus einem anderen Blickwinkel“, rechtfertigt sich Redakteur Frank Fontenay, der jetzt die französische Pressefreiheit gefährdet sieht. Und in der Tat: Bis auf ein paar auffällig hübsche Männerbilder unterscheiden sich Schreibe und Aufmachung der Zeitung kaum von anderen.

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