: NRW–Atomlobby setzt sich durch
■ NRW–Wirtschaftsminister Jochimsen (SPD) schließt Öko–Institut von der Sicherheitsüberprüfung der Atomanlagen aus / Die kritischen Experten seien „verbraucht“ / Atomlobbyisten sind nie verbraucht
Aus Bochum Petra Bornhöft
Auf Druck von AKW–Betreibern hat der nordrhein–westfälische Wirtschaftsminister Reimut Jochimsen (SPD) Wissenschaftler des Öko–Instituts Darmstadt von der zögernd anlaufenden Sicherheitsüberprüfung der NRW– Atomanlagen ausgeschlossen. Dies teilte jetzt Prof.Dr. Jochen Benecke, unter zehn bestellten Gutachtern der einzige ausgewiesene Atomkraftkritiker, dem Öko–Institut mit. Noch im Februar hatte das Ministerium in einem Leserbrief an die taz behauptet, Benecke sei ge beten worden, „seinerseits einen geeigneten Mitarbeiter des Ökoinstitutes als Mitarbeiter zu gewinnen“. Mit diesen Worten hatte die Aufsichtsbehörde auf taz–Berichte reagiert, wonach die kerntechnischen Anlagen in Hamm– Uentrop, Würgassen, Jülich und Gronau von profilierten AKW– Befürwortern kurzfristig durchgecheckt werden sollen (taz vom 23.2.). Bei der Aufsichtsbehörde meldeten sich unterdessen die Betreiber - die Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen (THTR), die Preussag (AKW–Würgassen) und die Uranit (Urananreicherungs anlage Gronau). Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums bestätigte gestern gegenüber der taz die Existenz von (vermutlich drei) Briefen, in denen diese Unternehmen „bestimmte Vertreter des kritischen Sachverstandes von dem Projekt ausschließen lassen wollen“. Daraufhin habe das Ministerium, so der Sprecher weiter, „klargestellt, daß die Behörde die Gutachter aussucht“. Doch dann habe Jochimsen plötzlich beschlossen, „daß das Ministerium seine Zustimmung zu einem Vertrag mit Lothar Hahn oder Michael Sailer oder dem Öko–Institut als Ganzem verweigern müsse, da diese nicht als unparteiische Gutachter angesehen würden“, schrieb Benecke an die genannten Reaktorsicherheitsexperten. Ergänzend erläuterte Jochimsens Sprecher der taz: „Wir haben nicht das Öko–Institut ausgebootet. Aber Lothar Hahn ist als Rechtsbeistand des THTR–Klägers verbraucht.“ Benecke nennt das ganze „unerfreulich“ und fährt fort: „Sachkundige Kritiker werden somit nach einmaligem Gebrauch als verbraucht angesehen, während der Technische Überwachungsverein, der als Sachbeistand der Behörden fungiert, sich nie verbraucht und immer von neuem als Gutachter herangezogen wird.“ Trotz seiner Zweifel an dem gesteckten Rahmen hat Benecke das Öko–Institut gebeten, einen „nicht verbrauchten“ Mitarbeiter für das Projekt zu benennen. Doch dort ist niemand bereit, sich „als kritisches Feigenblatt an dieser Posse zu beteiligen“. Das Öko–Institut lasse sich weder die Auswahl von Mitarbeitern vorschreiben noch „insgesamt als Gutachter für Sicherheitsüberprüfungen im Rahmen des Atomgesetzes disqualifizieren“, antwortete Diplomphysiker Lothar Hahn an Professor Benecke. Das Projekt drohe, „zu einer Farce zu verkommen“. Hahn wörtlich: „Es stellt sich die Frage der politischen Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit, mit der nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl eine Landesregierung ihre selbstgestellte Aufgabe einer Sicherheitsüberprüfung der Atomanlagen in Angriff nimmt.“
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