: Hexenverfolgung in Köln
So hatten die Heiligen des 13. Jahrhunderts, unter anderem Albertus Magnus und Thomas von Aquin, die die geistigen Väter der Hexenverfolgungen sind und die mit ihren Schriften kräftig die Thesen für Frauenmord verbreitet hatten, sich das natürlich nicht vorgestellt. Sie lebten zeitweilig in Köln und beschäftigten sich fromm mit den sexuellen Aspekten des Zauberwesens. Auch Christina Plum lebte in Köln. Sie lebte da im Frühjahr 1629 und war die Tochter des Gürtelmachergaffelboten, sie war 24 Jahre alt und fühlte sich vom Teufel besessen und von Hexen gequält. Bei verschiedenen Geistlichen bezichtigte sie sich selbst als Hexe. Und bei ihrem ersten Verhör gestand sie, bei einem Hexentanz gewesen zu sein. Dort habe man Unzucht mit dem Teufel getrieben und Hostien verunehrt. Und dann behauptete sie, mehr als ein Dutzend ehrbarer Kölner Bürger und bürgerinnen beim Hexentanz gesehen zu haben. Sie nannte Namen, selbst der Weihbischof sollte dabei gewesen sein. Entsetzen und Panik brachen aus. Zur Hexe war man nämlich sehr schnell erklärt worden, damals. Normalerweise traf das die armen Leute, vorwiegend die armen Frauen. Aber Grundlage waren ausschließlich Denunziation, üble Nachrede und Verleumdung. Schon ein Gerede in der Stadt über eine bestimmte Person reichte aus, um das Mißtrauen zu schüren und verhört zu werden. Hatte man dann Pech, hatte man persönliche Feinde, so waren schnell ein paar „Zeugenaussagen“ bei der Hand, die gegen einen verwendet wurden. Haß, Neid, Konkurrenz und Eitelkeit spielten eine Rolle. Meine Nachbarin kann mich nicht leiden. Sie denunziert mich und ich werde als Hexe angeklagt. Unter Folterungen gebe ich dann wieder Namen anderer Leute an. So geht es immer weiter und niemand hilft der beschuldigten Frau. Es muß eine Zeit der Feigheit und Unmoral gewesen sein, die nicht nur mit den Handlungen der Inquisition entschuldigt werden kann. Üble Nachrede, die zum Tode führt, Mißgunst, die eine ist erfolgreicher, hübscher oder sonst was. Schnell die Mäuler auf, mit der stimmt was nicht, die zaubert. Erfolg kann schon verdächtig sein. Und niemand zweifelt, hier ist der Teufel mit im Bunde. Und was waren das für Leute, die so übel anderen Frauen denunzierten? Es waren leider zum großen Teil auch Frauen. Bei Christina Plum war es etwas anderes. Sie denunzierte plötzlich „bessere“ Männer und dabei noch sozusagen von innen heraus, als überzeugte Hexe. Christina Plum bestand auf ihren Wahrnehmungen. Man ließ sie laufen und verbot ihr, schlecht über hochgestellte Persönlichkeiten zu reden. Sie machte weiter, kam wieder vor Gericht, wurde gefoltert. Der Kölner Rat war in Aufruhr. Man hatte Angst, die Frauen würden sich zusammenrotten und noch mehr Menschen verdächtigen. Wenn Christina etwas passiert, müssen andere den gleichen Weg gehen, drohte die Mutter. Aber am 16.1.1630 wurde das Urteil wegen Hexerei und anderer Untaten vollstreckt. Keiner der beschuldigten feinen bürger mußte wegen Zaubereiverdachts vor Gericht. Einige einfache Frauen hatte man schnell verhaftet und umgebracht. Aber man war seitdem in Köln vorsichtiger geworden. Hexereiverdächtigungen konnten jeden treffen, das war neu. Man baute in die Verhöre Kontrollmechanismen ein, und sogar der Erzbischof hat seine früheren Vorwürfe gegen die Stadt, sie verfahre zu milde und inkonsequent, nicht mehr wiederholt. Vielleicht sei das einer der Gründe, warum die Frauen in Köln mehr Sicherheit hatten als anderswo. Das meinen die Autorinnen eines kleinen Bändchens, das sich um die Verfolgung der Frauen in Köln kümmert und „Hexen“ heißt. Geschrieben von den zwei Historikerinnen Irene Franken und Ina Hoerner. So, bezogen auf eine einzige Stadt, wird das Problem der Hexenverfolgungen viel dichter und deutlicher. Zwischen 1435 und 1655 gab es „nur“ 96 Prozesse oder Anschuldigungen. 85 der aktenkundig Gewordenen waren Frauen. 37 der 96 Beschuldigten wurden umgebracht. Von den zwölf mit Berufsangaben bekannten Frauen waren zehn Hebammen. Höhepunkte waren die Jahre zwischen 1629 und 1637. Relative „Sicherheit“ gab es auch noch aus anderen Gründen. Im Mittelalter war Köln die größte deutsche Stadt. Wirtschaftlich waren die Frauen hier stark und selbständig. In dieser reichen Handelsstadt waren Verstand und Zweckdenken wichtiger als Hexenhysterie. Auch als die Stadt ärmer wurde, die Wirtschaftskrise nahte, die Frauen in der Folge aus ihren Zünften vertrieben wurden und, weil sie nicht über politische Macht verfügten, auch ohne großen Widerspruch gingen, hielt sich eine eher pragmatische Weltsicht. In Köln gab es zusätzlich eine starke Rivalität zwischen Erzbischof und Rat. Die Bischöfe versuchten immer wieder, ihre Macht zu behaupten, und verlorene Macht wiederzugewinnen. Die Gerichtsbarkeit gehörte zur Macht des Erzbischofs. Die reichen Stadtbürger, die sich darüber ärgerten und gerne selbst sämtliche Macht in Händen gehabt hätten, hatten nun bei den Hexenprozessen Gelegenheit, die Anordnungen des Erzbischofs schleppend durchzuführen oder in anderer Weise zu umgehen. So ließen sie im Vorverfahren, das sie ausführen durften, Angeklagte einfach wieder laufen, um dem Erzbischof entgegenzuarbeiten. Oder die Schöffen, die unbedingt anwesend sein mußten, begaben sich auf eine Dienstreise, wenn Hexenprozesse angesagt waren. Irene Franken/Ina Hoerner, Hexen. Die Verfolgung von Frauen in Köln. Kölner Volksblatt Verlag GmbH, 104 Seiten, DM 9.80
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