: Schulkampf in Hessen
■ Hessischer Landtag nach Auszug der Opposition beschlußunfähig / CDU wirft Grünen und SPDlern „Angst vor der Freiheit“ vor / Regierungskoalition will obligatorische Förderstufe an allen hessischen Schulen abschaffen
Aus Wiesbaden Reinhard Mohr
Exakt fünf Minuten dauerte gestern die Sitzung des hessischen Landtags in Wiesbaden. Dann hatte Parlamentspräsident Lengemann die Beschlußunfähigkeit des Plenums festgestellt und die nächste Sitzung für den heutigen Donnerstag einberufen. Sämtliche Abgeordneten der SPD und der Grünen waren dem Plenum ferngeblieben. Am Mittwochabend hatten die rot–grünen Partner von ehedem gemeinsam angekündigt, sich so lange nicht an den weiteren parlamentarischen Beratungsversammlungen zu be teiligen, wie die CDU/FDP–Koalition das „Schulfreiheitsgesetz“ durchpeitschen wolle, das die „obligatorische Förderstufe“ an hessischen Schulen abschaffen und das dreigegliederte Schulsystem wieder zum Regelfall machen will. In einem Antrag, dem die SPD zustimmte, schlagen die Grünen vor, die Ausschußberatungen auf der Grundlage der Anhörung in der vergangenen Woche fortzusetzen und erst nach der Sommerpause das Thema wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Zu viele verfassungsrechtliche, pädagogische und organisatorische Fragen seien noch ungeklärt, um das Gesetz in der vorliegenden Fassung zum 1. August in Kraft treten lassen zu können. Am Mittwochabend hatten CDU und FDP mit 55 von 110 Stimmen das Gesetz in zweiter Lesung verabschiedet - unter Nichtbeteiligung der Opposition und in Abwesenheit des FDP–Abgeordneten Weghorn, der nach einem Unfall bewußtlos im Krankenhaus lag. In der erregten Debatte, in der die SPD der Regierung „schulpolitischen Kannibalismus“ und die CDU der Opposition „Angst vor der Freiheit“ vorgeworfen hatte, waren SPD und Grüne scharf angegriffen worden, weil sie den Unfall Weghorns ausnutzten. Diese wiederum warfen der Regierung eine geradezu „unglaubliche Mißachtung der Rechte des Parlaments“ vor. Die Oppositionsparteien forderte er auf, zur „Wahrnehmung parlamentarischer Pflichten zurückzukehren“. SPD–Fraktionschef Krollmann teilte mit, er habe seine Fraktion „bis Dienstag verabschiedet“. Damit dürfte das Regierungsvorhaben vorerst gescheitert sein, auch wenn die CDU zweifelt, ob die Opposition „die Lahmlegung des Parlaments lange durchhält“.
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