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Peinliche Fragen für Ernst Albrecht

■ Heute wird Niedersachsens Ministerpräsident Albrecht im Untersuchungsausschuß zum Celler Loch befragt / Die Aussagen der bereits vernommenen Zeugen deckten erhebliche Widersprüche in der Affaire auf

Aus Hannover Jürgen Voges

Heute ist es dem Vorsitzenden des Parlamentarischen Untersuchungsauschusses Heiner Herbst eher peinlich, wenn er nach dem Gespräch gefragt wird, das er am Rande der vorletzten Landtagssitzung mit Ministerpräsident Ernst Albrecht, den Fraktionsvorsitzenden von CDU und FDP und dem FDP–Auschußmitglied Rudolf Fischer geführt hat. „Wir haben die Unterredung sehr schnell wieder beendet“, sagte der CDU– Landtagsabgeordnete am Rande der letzten Ausschußsitzung in Celle, „da hätte allzuleicht ein falscher Eindruck entstehen können“. Die Frage, ob die Landesregierung ihren Bericht an den Untersuchungsauschuß zum Celler Anschlag zurückziehen solle, hatten die CDU– und FDP–Abgeordneten in jener Unterredung mit Ernst Albrecht erörtert. Die Aussage des Ex–FDP–Innenministers Röttger Groß, er sei nicht über die Vorbereitungen des Celler Anschlages informiert ge wesen, hatte Ernst Albrecht in die Bredouille gebracht. „MI (Minister des Inneren, d.Red.) ist vor der Aktion unterrichtet worden“, heißt es klar im Ausschußbericht der Landesregierung, und Ernst Albrecht hatte am 25.4.86 vor dem Landtag von einer sorgfältigen Prüfung der rechtlichen Aspekte durch den Innenminister gesprochen. Doch Röttger Groß, in dessen Amtszeit die Vorbereitung des Celler Anschlages fiel, hatte dem verblüfften Auschuß dann berichtet, daß er im vergangenen Jahr durch die Presse erfahren habe, was die Verfassungschutzabteilung seines Hauses da im Jahre 1978 ausgekocht hatte. Im Alleingang am zuständigen Innenminister vorbei, so ergab sich aus der Vernehmung von Rötger Groß, hat Ernst Albrecht 1978 zusammen mit dem Verfassungsschutz den Celler Anschlag vorbereitet. Ernst Albrecht wird sich heute aber nicht nur Fragen nach seinem Alleingang gefallen lassen müs sen, sondern auch danach, ob er nach Bekanntwerden des Celler Anschlags den Landtag belogen hat. Schon die Vorgeschichte, die Albrecht in seiner Regierungserklärung am 25. April letzten Jahres dem Landesparlament auftischte, hat der Ausschuß ganz anders gehört. Der in Celle inhaftierte Sigurd Debus „warb damals Mithäftlinge, um mit ihnen zusammen gewaltsam auszubrechen“, erklärte Albrecht. Nach der Aussage des JVA–Leiters Kühlings war es genau umgekehrt: Auf Verlangen des Verfassungsschutzes habe man Debus „aus seiner Isolation etwas herausgelöst“ und „auf den Gang verlegt, wo auch die V–Leute Loudil und Berger lagen“. Nach Albrechts Erklärung vor dem Landtag erteilte vor dem Celler Anschlag „der Bundesinnenminister Maihofer seine Zustimmung, der Bundeskanzler wurde unterrichtet. Daß der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt über den Anschlag informiert war, behauptet bereits der Bericht der Landesregierung an den Ausschuß nicht mehr, dort ist allein noch von einer „Intervention des BKA bei einer Lagebesprechung im Bundeskanzleramt“ die Rede. Auch zu den angeblichen „Erfolgen“, mit denen Ernst Albrecht seine „Aktion Feuerzauber“ vor dem Landtag gerechtfertigt hat, hat der Untersuchungsauschuß inzwischen eindeutige Zeugenaussagen. „Er (der V–Mann) fand in der Folgezeit Zugang zu terroristischen Kreisen“, erklärte Albrecht am 25.4.86 vor dem Plenum. Ganz anders Ex–Innenminister Egbert Möcklinghoff, der Nachfolger von Rötger Groß, vor dem Ausschuß: „Mir ist dann schon wenige Tage oder wenige Wochen hinterher von meinen Mitarbeitern mitgeteilt worden, daß das eigentliche Ziel, in den harten Kern der Terroristen einzudringen, mißlungen war.“ Man darf gespannt sein, wie sich Ernst Albrecht in seiner heutigen Vernehmung aus seinem Gewirr von Halb– und Unwahrheiten wieder herauswinden will.

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