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Die Dreckschleuder ist entschwefelt

■ Gestern wurde die Rauschgasentschwefelungsanlage für das Kraftwerk Bauschhaus offiziel in Betrieb genommen / 300 Millionen DM Subventionen

Aus Helmstedt Jürgen Voges

„Ein blitzblankes Kraftwerk habe ich Ihnen versprochen, als ich März 1985 zum letzten Mal hier vor einer Belegschaftsversammlung der Braunschweigischen Kohlebergwerke (BKB) gesprochen habe“, sagte Ministerpräsident Ernst Albrecht vor den 250 geladenen Gästen freudestrahlend, „doch ich habe damals nicht gedacht, daß eine Rauchgasentschwefelungsanlage auch von außen so blitzsauber aussieht.“ Tatsächlich springt die „kleine chemische Fabrik“ um das Kraftwerk Buschhaus mit ihren chromblitzenden dicken Rohren und Kesseln schon von weitem ins Auge. 97 Prozent des Schwefeldioxid soll die gestern offiziell eingeweihte Rauchgasentschwefelungsanlage abscheiden und den vorgeschriebenen Grenzwert von 400 Milligramm pro Kubikmeter Abluft „deutlich unterschreiten. Dabei wird reines Sulfat und als industrieller Rohstoff reiner Schwefel produziert. Kleine gelbe in Buschhaus produzierte Schwefeltabletten legte die BKB gestern auf die Tische der Gäste im eigens aufgebauten Festzelt am Kraftwerk. 80.000 Tonnen davon kann die Anlage jährlich produzieren. 80.00 Tonnen, die vor allem auf die DDR und Berlin niedergehen würden, wenn Ernst Albrecht nicht auf Widerstand gestoßen wäre. „Wenige Auseindersetzungen haben mich soviel Kraft gekostet, wie die Auseinandersetzungen um das Kraftwerk Buschhaus“, sagte Ernst Albrecht gestern im Festzelt. Eine Medienkampagne ohne gleichen sei damals gegen dieses Kraftwerk betrieben worden. Doch schon im ersten Jahr nach der Inbetriebnahme von Buschhaus sei der Gesamtaustoß der BKB–Kraftwerke um 14 Prozent gesunken, im zweiten Jahr um 17 Prozent, im dritten um 22 Prozent und ab heute werde er nur noch ein Viertel und ab 1993 nur fünf Prozent betragen. Bis dahin darf die BKB per Ausnahmegenehmigung noch 35.000 Tonnen SO 2 jährlich aus ihren Kraftwerken emittieren. Der wichtigste Organisator des Protestes gegen die Dreckschleuder, Jochen Brauer, der seinerzeit gegen die Inbetriebnahme von Buschhaus klagte, sitzt heute für die Grünen im Bundestag. Er sieht die Einweihung der Entschwefelungsanlage „mit einem weinen den und einem lachenden Auge“. Natürlich sei es ein Erfolg der Umweltbewegung, so sagt er, daß die Entschwefelungsanlage überhaupt eingebaut wurde. Auf der anderen Seite habe die BKB nun über 300 Millionen DM an Subventionen für eine Pflichtaufgabe erhalten. „Zwar ist die Entschwefelungsanlage nun ein Jahr früher in Betrieb gegangen, als es auch für Altanlagen nach der Großfeuerungsanlagenverordnung zwingend vorgeschrieben ist“, erläutert der Grüne Bundestagsabgeordnete. „Aber dafür bekam die BKB für ihre alten Kraftwerksblöcke Offleben A und B eine Ausnahmegenehmigung und darf dort bis 1993 mit einer Teilentschwefelung von 25 Prozent arbeiten“. „Buschhaus wurde ja ohne Entschwefelung, als neue Altanlage, konzipert“, erinnert sich der Grünen–Abgeordnete, „obwohl auch 1978 die Rauchgaswäsche schon gesetzlich vorgeschrieben war.“ Der für die Genehmigung zuständige Sozialminister Schnipkoweit, damals selbst BKB–Aufsichtsratsmitglied, hatte der BKB geraten, gutachterlich nachzuweisen, daß eine Entschwefelungsanlage in Buschhaus weitaus teurer sei als in vergleichbaren Anlagen, dann könne man das Kraftwerk auch unentschwefelt genehmigen. „Das war dann natürlich auch teurer“, so sagt Jochen Brauer, „weil der Schwefelgehalt der Salzbraunkohle hier so extrem hoch ist.“ Es sei damals nach der „irrwitzigen Logik“ gegangen: „Wer möglichst viel Dreck rauspustet, braucht keine Rauchgaswäsche.“

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