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"Deutsche Sicherheitsorgane schüren das Feuer

■ Nach mehreren Anschlägen auf kurdische Vereinigungen macht die Polizei die Opfer zu Tätern. Innenministerium und Bundesanwaltschaft bereiten Anti-Terror-Kampagne und Verbot der PKK vor

„Es gibt einen Kurdenkrieg!“ Der Münchner Polizeioffizier schob sich hinter seinem Tisch vor und fixierte den Verhafteten: „Auch Du stehst auf der Todesliste der PKK. Wenn Du nicht aussagst, wirst Du auch erschossen“. Diese Szene fand Anfang März in der bayrischen Landeshauptstadt statt. Kurz zuvor war im dortigen Deutschen Museum das alljährliche Neujahrsfest (“Newroz“) der kurdischen Immigrantenorganisation KOMKAR (Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der BRD) von einem Schlägertrupp der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) angegriffen worden. Zwei Ordner blieben mit Messerstichen und schweren Kopfverletzungen liegen, einer der Angreifer starb an Schußverletzungen. Seine Freunde hätten ihn im Tränengasnebel aus Versehen selbst erschossen, sagten KOMKAR–Augenzeugen vor der Polizei aus. Die PKK behauptet, ihr „Kämpfer“ Ahmed Aydin sei beim friedlichen Flugblattverteilen angegriffen und „hinterhältig ermordet“ worden. Die Münchner Polizei legte umgehend los: schwerbewaffnete Beamte stürmten Treffpunkte, Arbeitsplätze und Wohnungen von KOMKAR–Mitgliedern und verhaftete zehn von ihnen. „Man hat uns menschenunwürdig behandelt“, berichtet einer der Verhafteten. „Die Beamten haben uns gedroht, wenn wir nicht aussagen, dann würden wir abgeschoben.“ Zehn Tage blieben die Festgenommenen unter dem Vorwurf der „Strafvereitelung“ in Haft, bevor sie wieder auf freien Fuß gesetzt werden mußten. Ihr Vertreter, der Münchner Rechtsanwalt Hubert Heinhold konnte den Ermittlern massive Schlampereien nachweisen: „Die Polizei hatte scheinbar mehr Interesse an den Angegriffenen als an einer Aufklärung der Tat“. Achtzig Prozent der Ermittlungstätigkeit, so Heinhold, hätte dem politischen Um ist“. Die Beschuldigten verweigerten sich den massiven Aushorchversuchen und machten lediglich Angaben zum Vorfall am Deutschen Museum. Die Polizei nahm später einige PKK–Anhänger fest. Ein Schnellgericht verurteilte einen von ihnen zu zehn Monaten Freiheitsstrafe, die gegen eine Geldbuße von 2.000 DM zur Bewährung ausgesetzt wurde. Bereits vor dem Münchner Überfall hatten PKK–Anhänger in anderen Städten Newroz–Feste, Veranstaltungen und Mitglieder anderer kurdischer Organisationen angegriffen und die in Westeuropa lebenden Kurden aufgefordert, deren Neujahrsfeiern nicht zu besuchen. Denn nur die PKK selbst, so heißt es in ihrer Parteipresse, habe das Recht, Newroz zu feiern. Die anderen Organisationen würden das Fest politisch und finanziell „ausbeuten“ und „dem Imperialismus als Geschenk überreichen“. Nach dem tödlichen Zwischenfall am Deutschen Museum schlug die PKK noch schärfere Töne an. Dem „Verräter–Kollaborateur– Pack“, namentlich KOMKAR, drohte das Zentralorgan Serxwebun an, die „Strafe hinnehmen zu müssen, die sie verdient haben“. Den Worten folgten Taten: europaweit bedrohten PKK–Gruppen Anhänger anderer kurdischer Organisationen, verletzten einige von ihnen schwer und setzten auch die Überfälle auf Newroz–Feste fort. In fünf bundesdeutschen Städten gingen KOMKAR–Büros in Flammen auf. Und PKK–Kommandos spähten nahezu ungetarnt das Alltagsleben prominenter Kurden und Türken aus. Am 8. April fielen erneut Schüsse. In Bad Cannstatt bei Stuttgart feuerte ein Unbekannter zwei Kugeln auf das Bundesvorstandsmitglied der KOMKAR, Mehmet Elbistan. Der bekannte 53jährige Kurde betreibt dort einen Imbiß mit angeschlossener Kneipe. Er brachte sich gerade noch halbwegs hinter dem Tresen in Sicherheit. Der Attentäter verfehlte sein Opfer aus nächster Nähe und konnte entkommen. Die Polizei unterließ es, anwesende Tatzeugen zu vernehmen. Auch den Hinweisen auf örtliche und fremde PKK–Anhänger, die sich am Abend der Tat mit dem Attentäter im Lokal aufgehalten hatten, ging die Polizei sehr zurückhaltend nach. Stattdessen interessierte sich die Stuttgarter Kripo auffallend für die lokalen KOMKAR–Strukturen. Wie ihre bayrischen Kollegen hielt auch die baden–württembergische Polizei einen Polizeischutz nicht für nötig. Festnahmen beim Beileidsbesuch Das nächste Attentat fand in Hannover statt und verlief tödlich. Am dritten Mai starb der 37jährige Ramazan Adigüzel auf offener Straße durch die Kugeln eines Mordschützen. Eine deutsche Passantin erlitt einen Bauchschuß. Adigüzel lebte seit drei Jahren in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Er war seinen Landsleuten als langjähriger Funktionär der Lehrergewerkschaft Töb–Der, als politischer Gefangener und als Peshmerga in den Reihen iranischer Kurden gegen das Khomeini–Regime bekannt. In den Wochen und Tagen vor seinem Tod war er von PKK– Anhängern bedroht worden. Bei seinem Tod trug er eine Pistole bei sich, die er jedoch nicht mehr ziehen konnte. Auch in diesem Fall trat die Polizei umgehend gegen Angehörige und Freunde des To ten in Aktion. Die Beamten unterzogen Adigüzels Ehefrau stundenlangen Verhören. Als ihr Anwalt auf die körperlichen und seelischen Belastungen seiner Mandantin hinwies und eine schonende Ermittlungsführung anregte, verlangte die Staatsanwaltschaft ein ärztliches Attest. Die Polizei nahm derweil wahllose Festnahmen unter den kurdischen Trauergästen vor, die der Witwe ihr Beileid ausdrücken wollten. Gegen den Bruder des Ermordeten erging Haftbefehl, weil er sich 1983 unerlaubt von seinem für Asylbewerber vorgeschriebenen Aufenthaltsort entfernt hatte. Die Staatsanwaltschaft begründete diesen Schritt mit „Fluchtgefahr“, obwohl der Verhaftete über einen festen Wohnsitz verfügt und Sozialhilfe bezog. Gegen Kaution und mit der Auflage, sich täglich bei der Polizei zu melden, setzte der Haftrichter ihn wieder auf freien Fuß. Einen weiteren Verwandten, der ohne Visum in die BRD gekommen war und der mit der Leiche des Ermordeten nach Kurdistan zurückkehren wollte, nahmen die Behörden ebenfalls in Haft und schoben ihn umgehend in die Türkei ab. In Hamburg hatte die Polizei Ende April, wenige Tage vor dem Attentat auf Ramazan Adigüzel in Hannover, ein knappes Dutzend linker Kurden und Türken vor einer akuten Bedrohung für ihr Leben gewarnt und Polizeischutz angeboten, den die Angesprochenen allerdings fast ausnahmslos ablehnten, weil sie sich in ihrer politischen und persönlichen Bewegungsfreiheit von der Polizei nicht einschränken lassen wollten. Zweckdienliche Hinweise aus dem Computer Außerdem kamen Zweifel an der Seriosität der polizeilichen Warnungen auf. Ursprünglich hatte das ehemalige ZK–Mitglied der PKK, Cetin Güngör (Semir), die Pläne für gezielte Liquidationen von Dissidenten und Kritikern der PKK öffentlich gemacht. Er selbst fiel 1985 in Stockholm einem Mordanschlag des PKK–Mitglieds Nuri Candemir zum Opfer. Bei vier weiteren tödlichen Attentaten in Westeuropa steht ebenfalls die Urheberschaft fest. Die in diesen Fällen festgenommenen Täter waren als Mitglieder der PKK bekannt oder gaben ihre politische Bindung in den Verhören zu. Selbst PKK–Mitglieder zweifeln nicht daran, daß ihre Organisation prominente Exilkurden auf Todeslisten gesetzt hat. Die bundesdeutschen Polizeien machten sich diesen Begriff in den vergangenen Wochen als handfeste Drohungen gegenüber den Gefährdeten zunutze: Die von der Polizei Gewarnten mußten aber feststellen, daß nicht nur einzelne prominente Kurden und Türken unter Berufung auf fragwürdige polizeiliche „Erkenntnisse“ gewarnt wurden, sondern auch Personen, die nur der Polizei als Mitglieder der bedrohten Vereine bekannt sein konnten. Die Zurückhaltung der Hamburger Organisationen gegenüber der Polizei erklärt sich aber auch noch aus einem anderen Vorfall. Denn am 25. März wies die Polizei die Hamburger KOMKAR–Vereinigung auf einen bevorstehenden Anschlag hin. Niemand wollte sich in der Nacht im Büro aufhalten. Tatsächlich brannte in der folgenden Nacht das Büro aus, aber die Polizei hatte keine Schutzmaßnahmen ergriffen, nachdem der letzte KOMKAR– Vertreter das Gebäude verlassen hatte. Ein Täter wurde nicht ermittelt. Merkwürdigkeiten waren schon vorher in Hamburg an der Tagesordnung. Nach der Ermordung Kürsat Timuroglus im Februar 1986 hatte das ermittelnde Staatsschutzdezernat ziemlich unverfrorene Versuche unternommen, Freunde des Ermordeten als Informanten anzuwerben. Polizei heizt „Kurdenkrieg“ an Nach der Erschießung Ramazan Adigüzels verschärfte die Hamburger Polizei den Druck. Denn am dritten Mai war auch in Hamburg ein Mord geschehen. Im Stadtteil Horn starb Musa Eker, ein politisch unauffälliger Mensch, an mehreren Kopfschüssen. Die näheren Umstände deuten darauf hin, daß er einer Verwechslung mit einem linken Kurden zum Opfer fiel. In der folgenden Woche warf die Polizei ein Netz über die Stadt: Beamte in Zivil und Uniform nahmen in Ausländerstadtteilen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, an belebten Plätzen und Vereinslokalen umfangreiche Personenkontrollen bei Männern und Frauen vor, bei denen sie ein türkisch– kurdisches Profil zu erkennen glaubten. Türkische Krankenschwestern, Arbeitsimmigranten und ausländische Studenten mußten sich entwürdigenden Leibesvisitationen unterziehen lassen, einige auch mehrmals. In mehreren Fällen schoben die Behörden Festgenommene umgehend ab, berichten Einwanderergruppen. Ein deutlicher „Warnschuß“ an die PKK, ihre Beobachter und Kommandos aus der Hansestadt abzuziehen. Denn das grobmaschige Kontrollnetz legte sich über Angreifer wie Angegriffene. Vor der Öffentlichkeit begründete die Innenbehörde hingegen die „Maßnahmen zum Schutz der türkischen Bevölkerung“ mit „gewalttätigen Auseinandersetzungen, insbesondere zwischen linksextremistischen Gruppen türkischer Kurden“. Die gleichermaßen auf die PKK und die angegriffenen Gruppen zielende Formulierung stammte aus einer Erklärung der Innenministerkonferenz, die Anfang April in Westberlin stattgefunden hatte. Wegen der „eklatanten Verletzung des Gastrechts... werden die Innenminister mit großer Aufmerksamkeit die Entwicklung beobachten“, heißt es im Text, und weiter, „sie seien entschlossen, dieser Entwicklung mit allen gebotenen rechtsstaatlichen Mitteln entgegenzutreten“. Der Staatsschutz bläst zur Jagd Über drei Jahre lang hat die PKK gegen parteiinterne Kritiker, Dissidenten und andere Gruppen vorgehen können, ohne daß es zu bemerkenswerten staatlichen Reaktionen kam. Selbst der erste Mord an einem ehemaligen PKK– Mitglied auf bundesdeutschem Boden 1984 in Rüsselsheim, der mit Festnahme und lebenslänglicher Freiheitsstrafe für den Täter endete, fand vor Gericht in einer merkwürdig unpolitischen Atmosphäre statt. Dabei war der Mörder, Ali Tas, als langjähriger PKK–Vertreter im Kölner Büro des türkisch–kurdischen Linksbündnisses BIRKOM und Mitarbeiter der Parteizeitung Serxwebun auch den Sicherheitsbehörden bekannt. Wie tief allerdings die bundesdeutschen Sicherheitsbehörden die PKK–Kreise infiltriert haben, darüber gehen die Meinungen auseinander. Der ehemalige SPD– Bundestagsabgeordnete Klaus Thüsing behauptet, der Verfassungsschutz habe die PKK „bis in die höchsten Spitzen durchsetzt“. Der langjährige politische Ansprechpartner vieler Exilgruppen aus der Türkei und Kurdistan ist sich sicher, daß die PKK nur agieren könne, „weil sie vom VS gedeckt“ werde. „Sie ist ein Instrument des Verfassungsschutzes.“ Thüsing beruft sich auf „Hinweise“, die er über Jahre von „Mitgliedern verschiedener türkischer und kurdischer Gruppen, auch aus den Reihen der PKK, erhalten“ habe. Verfassungsschützer bezeichnen Thüsings Behauptung als „völlig übertrieben“. „Unsere Erkenntnislage ist nicht so glorios, wir haben da einen gewissen Nachholbedarf“, erklärt Hessens VS–Chef Günter Schleicher gegenüber der taz. Linke Beobachter des Verfassungsschutzes weisen darauf hin, daß die Abteilungen für „extremistische Ausländergruppen“ innerhalb des Apparates am wenigsten Ansehen genießen und dementsprechend minderqualifiziert besetzt sind. Zudem müssen diese Abteilungen sich ständig umorientieren, je nachdem, welche ausländische Vereinigung zeitweilig zur besonderen Zielgruppe erklärt wird. Mehr als eine lückenhafte Draufschau kommt da nur selten bei raus. Tatsächlich ist die PKK erst seit Ende 1985 in den Mittelpunkt verfassungsschützerischen Interesses geraten. Zwar hatte die Organisation auch vorher für „Bauchgrimmen“ bei den zuständigen VS–Abteilungen gesorgt, wie Günter Scheicher bemerkt, aber solange die Opfer aus den eigenen Reihen stammten, oder irgendwelche kurdischen oder türkischen Linken betroffen waren, blieb die PKK verschont. Der Verzicht der Organisation, in Westeuropa Vertretungen und Einrichtungen des türkischen Staates anzugreifen, hielt ihr ebenfalls den Rücken frei. In den Jahresberichten der Verfassungsschutzämter fällt überdies auf, daß die Hinweise auf den Sitz der PKK–Zentrale im Damaskus des vom Westen hofierten syrischen Staatspräsidenten Assad sehr moderat ausfallen oder ganz fehlen. Erst die Einschätzung der Innenminister, die laufende Gewaltkampagne der PKK könne Gegenreaktionen der angegriffenen Gruppen auslösen, sorgte für eine verschärfte Gangart. „Das gleiche Schicksal wie die DEV–SOL“ Allen voran das bayrische Landeskriminalamt: mit dreisprachigen Briefen sei das Münchner Amt an „patriotische Kurden“ herangetreten, sich „vertrauensvoll“ an die Polizei zu wenden, berichtet FREYKA, die Dachorganisation der PKK–nahen Arbeitervereine in der BRD. Über 100 Hausdurchsuchungen hätte die bayrische Polizei mittlerweile bei ihren Anhängern im Freistaat vorgenommen. Eine gute Nachricht für das Regime in Ankara, das seit Jahren darauf dringt, die Bundesrepublik möge gegen die „Separatisten“ schärfer vorgehen. Allerdings betonte Friedrich Zimmermann nach der Innenministerkonferenz von Anfang April gegenüber türkischen Zeitungen, man werde „mit aller Kraft“ gegen diejenigen vorgehen, „die die politischen Auseinandersetzungen in der Türkei in die Bundesrepublik tragen wollen. Sie werden das gleiche Schicksal erfahren, das die von mir verbotene DEV–SOL erfahren hat“, gab der Innenminister die Marschroute seines Ministeriums an. Im Falle der linken DEV–SOL hatte 1982 die Besetzung des türkischen Konsulats in Köln durch bewaffnete Mitglieder der Organisation den Anlaß geboten, die Gruppe und ihre regionalen „Volkshäuser“ zu verbieten. Bei der PKK liegen die Dinge komplizierter, meinen Verfassungsschützer. Vor allem mangele es an beweiskräftigen Erkenntnissen, und die seien auch mit dem Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel schwer zu gewinnen. Die PKK sei konspirativ organisiert, die örtlichen Kader würden laufend rotieren und die konsequente Verwendung von Decknamen mache eine Identifizierung sehr schwer, wollen die VS–Ämter wissen. „Europas neue Terroristen“ Am deutlichsten zeigt das baden–württembergische Innenministerium, wo es langgehen soll. Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes für das vergangene Jahr hob Innenminister Dietmar Schlee gleich nach der RAF die PKK hervor, „deren terroristische Aktivitäten mit allem Nachdruck bekämpft werden“ müßten. Und der niedersächsische Verfassungsschutz eröffnet die Hatz mit der Titelgeschichte „PKK - Europas neue Terroristen“ in der Juli–Ausgabe der Ministerium– Postille Unsere Sicherheit. Schon jubelt auch die türkische Rechtspresse: „Verbot der separatistischen Vereine wird geplant“, titelt Tercüman am 12. Mai und für den VS gilt die PKK mittlerweile als die „mit Abstand gefährlichste Ausländerorganisation“. Über Nacht herrscht denn auch große Geschäftigkeit in den Verfassungsschutzämtern: Materialien und Erkenntnisse, die ein Verbot der PKK–Organisationen stützen könnten, werden ausgewertet und zentral im Kölner Bundesamt für den Verfassungsschutz zusammengestellt. Doch um die analytischen Fähigkeiten der zuständigen Abteilung scheint es nicht allzu hoch bestellt zu sein: Das Kölner Amt war sich nicht zu blöde, den führenden Funktionär einer linken Immigrantengruppe für Auswertungen und Berichte über die PKK anwerben zu wollen. Verbot oder § 129a? Umstritten unter bundesdeutschen Sicherheitsexperten ist vor allem die politische Kosten–Nutzen–Rechnung eines Verbotes: Zwar seien Solidarisierungsaktionen für die PKK kaum zu erwarten, da sie nach Ansicht der Verfassungsschutzämter politisch völlig isoliert dasteht. Ob aber bei einem Zugriff die inneren Verflechtungen, Strukturen und Finanzen aufgedeckt werden könnten, und ob sich die PKK bei einem Verbot möglicherweise in anderer Form neu organisiert, darüber gehen die Meinungen auseinander - der übliche Streit um den „richtigen Zeitpunkt“ eines Verbotes. Auch die Bundesanwaltschaft macht mobil. Die Karlsruher Strafverfolger haben nach der Innenministerkonferenz Erkenntnisse der Staatsschutzbehörden und Gerichtsakten aus Verfahren gegen verschiedene PKK–Anhänger zusammentragen lassen, um zu prüfen, „ist das ein Fall für uns oder nicht“, wie Alexander Prechtel, Sprecher der Bundesanwalt schaft auf Anfrage der taz bereitwillig ausplauderte. Allerdings sucht Rebmanns Behörde bislang erfolglos nach beweiskräftigen Anhaltspunkten, ob es einen „militärischen Flügel der PKK gibt, der ständig in der BRD lebt, oder einfliegende Kommandos, die hier politische Morde und Brandanschläge begehen“. Sollte die Bundesanwaltschaft sich allerdings zur Eröffnung eines Verfahrens entschließen, sind ihre Kompetenzen umfangreich: Die novellierte Fassung des Paragraphen 129a erlaubt den obersten Anklägern der Republik, auch „terroristische Vereinigungen“ zu verfolgen, deren Hauptsitze im Ausland liegen. Eine unschätzbare Morgengabe für das Regime in Ankara, das seit der Eröffnung des Kleinkrieges der PKK in Kurdistan seine geheimdienstlichen Aktivitäten in Westeuropa mächtig verstärkt hat. Langjährige Beobachter des nationalen türkischen Nachrichtendienstes MIT sprechen von einigen hundert Agenten, die seit 1985 in Westeuropa zusätzlich stationiert worden sind. Ankaras langer Arm mischt mit Das vorher schon sehr dichte Spitzelnetz hat seitdem eine gezielte Ausrichtung gegen die kurdischen Gruppen, insbesondere die PKK erfahren. Sorge bereitet den türkischen Sicherheitsbehörden vor allem, daß ein Großteil der Finanzen und Kämpfer der PKK aus Westeuropa stammen soll. Die Auswertung von Äußerungen und Publikationen westdeutscher und türkischer Staatsschutzbehörden spricht dafür, daß die Verbindungen zwischen MIT und BRD–Inlanddienst verhältnismäßig dünn sind. Zwar kann sich die Türkei über NATO–Kanäle aus den Asylakten der bundesdeutschen Behörden bedienen, aber was die politischen Aktivitäten der PKK hierzulande betrifft, so scheint der MIT hauptsächlich auf eigene Erkenntnisse angewiesen zu sein. Denn der türkische Geheimdienst gilt beim bundesdeutschen Inlandnachrichtendienst als wenig seriös. „Wir haben Mühe, uns die Türken vom Leib zu halten“, giftet der Leiter eines VS–Landesamtes mit Verweis auf die schlechten Erfahrungen, die seine Leute in der Vergangenheit mit den Informationen und Operationen ihrer türkischen Kollegen gemacht hätten. Für die dünnen deutsch–türkischen Bande in Sachen PKK spricht auch, daß insgesamt zwar die Anwerbeversuche der türkischen Konsulate in den vergangenen zwei Jahren zurückgegangen sind, seitdem aber gezielt nach Informanten Ausschau gehalten wird, die die Erkenntnislage über die PKK verbessern können. Die schmutzigen Tricks des MIT Jedenfalls verfüge der MIT über erstaunliche Details aus dem Innenleben der Kurdischen Arbeiterpartei, berichten Zielpersonen von Anwerbegesprächen des türkischen Geheimdienstes. Und der MIT greift tief in das Arsenal schmutziger Tricks. Bevorzugtes Operationsgebiet ist Norddeutschland, wo im August 1986 eine Provokation des türkischen Dienstes zur Festnahme des PKK–Anhängers Faruk Bozkurt führte. Der junge Mann war vor einem Schließfach im Hauptbahnhof festgenommen worden, in dem sich zwei Kilogramm Sprengstoff aus US–amerikanischen Armeebeständen, Zünder und eine Pistole befanden. Bei dem brisanten Fund lag außerdem ein Brief mit einer Lagekarte der Privatwohnung des türkischen Konsuls und eine Aufforderung, das Gebäude in die Luft zu sprengen. Die „Handschrift“ dieses angeblich von der PKK geplanten Anschlages sprach in keiner Weise für eine Urheberschaft der kurdischen Organisation. Vielmehr ist davon auszugehen, daß MIT–Agenten die Geschichte inszenierten, um die bundesdeutschen Behörden zu einer härteren Gangart gegen die PKK zu drängen. Auch die Hamburger Sicherheitsbehörden maßen dem Vorfall letztlich wenig Bedeutung bei und mußten Faruk Bozkurt mangels Beweisen aus der Haft entlassen. Und Verfassungsschützer wollen mittlerweile nicht mehr ausschließen, daß „die Türken da ihre Finger im Spiel hatten“. „Euer Führer ist tot!“ Schnelle Arbeit leistete der MIT jedenfalls nach dem Mord an Ramazan Adigüzel in Hannover: Bereits drei Stunden später verkündete der örtliche Gendarmeriekommandant in seinem Heimatort Bingöl: „Euer Führer ist tot!“ Die ungewöhnliche Geschwindigkeit der Nachrichtenweitergabe interpretieren Kenner des osmanischen Staatsapparates damit, daß Beobachter des MIT am Tatort anwesend waren und umgehend ihre Agentenführer informierten. Die Umtriebe des türkischen Geheimdienstes sind den bundesdeutschen Behörden offiziell bekannt. In den „Vierteljährlichen Lageberichten zu Möglichkeiten von Abschiebungen“ des Auswärtigen Amtes, Ausgabe vom 15.3.87, heißt es über die Türkei: „Allerdings wurde - soweit bekannt - die Beobachtung und Kontrolle kritischer Türken im Ausland und insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland seit Anfang 1985 verstärkt durchgeführt. Die Kenntnis türkischer Behörden von Handlungen im Ausland, die nach §140 türkisches Strafgesetzbuch (Verleumdung des Staates) strafbar sind, muß in den meisten Fällen unterstellt werden“. Angesichts dieser verworrenen Situation fühlt sich ein seit langesn Jahren in der Bundesrepublik lebender türkischer Intellektueller an ein Sprichwort seiner Heimat erinnert: „Das Wetter ist so grau, daß man nicht erkennen kann, wessen Hand in welcher Tasche steckt“. Den fortschrittlichen Organisationen der rund 300.000 in der Bundesrepublik lebenden Kurden wird es allmählich mulmig. Sie gewinnen den Eindruck, daß der bundesdeutsche Sicherheitsapparat das Feuer schürt, bis es tatsächlich zu einem „Kurdenkrieg“ kommt. Dann, so ein Sprecher von KOMKAR, „haben sie uns alle im Sack. Und die PKK begreift nicht, was sie da anrichtet“. Seine Organisation, wie auch die anderen angegriffenen Vereinigungen, will sich jedenfalls nicht provozieren lassen und ruft zur Disziplin auf: „Wir lassen uns weder von der PKK einschüchtern noch vom Staat in die terroristische Ecke drängen“. Sein Wunsch an die bundesdeutsche Linke: „Laßt uns mit Euren Sicherheitskräften und der PKK nicht allein - wir haben ein Recht auf euren Schutz“.

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