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Gelbe Karte für Jugendverbände

■ Wegen ihrer Volkszählungskritik droht das Jugendministerium verschiedenen Jugendverbänden mit generellem Förderungsstopp / Süssmuth–Ministerium fordert Gesetzeskonformität von den Organisationen

Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Einen Maulkorb, der vor kritischen Bissen schützen soll, hat jetzt das Bundesjugendministerium verschiedenen Jugendverbänden zugeschickt. Nachdem das Haus Süssmuth schon vor vierzehn Tagen verschiedenen Organisationen mit dem Hinweis auf ihre Volkszählungskritik umfangreiche Geldstreichungen angedroht hatte, flatterte jetzt den Jungdemokraten, den Jungsozialisten, den Juso–Hochschulgruppen und den Falken die Androhung eines generellen Förderungsstopps ins Haus. Der Aufruf zum Volkszählungsboykott sei ein „bewußter Aufruf zum Gesetzesbruch“ und verstoße gegen die „Grundprinzipien des demokratischen Rechsstaates“, heißt es in dem Brief, „bei einer Wiederholung gesetzeswidrigen Verhaltens (...) würde ich mich gezwungen sehen, die Förderung aus Mitteln des Bundesjugendplans einzustellen“. Wird ein Jugendverband jedoch erst einmal aus dem Kreis der förderungsfähigen Organisationen ausgeschlossen, so wissen die Verbände aus Erfahrung, ist er für Jahre von den Geldzuwendungen aus Bonn ausgeschlossen. Darin, daß sich dieser Drohbrief nicht nur auf den bisher vom Ministerium heftig angegriffenen Volkszählungsboykott bezieht, sondern von den Jugendverbänden eine generelle Gesetzeskonformität verlangt, sehen die betroffenen Gruppen eine neue Qualität. „Das ist die Gelbe Karte, und bei der nächsten Sache sind wir draußen“, kommentiert der Sprecher eines Verbandes den neuerlichen Brief des Ministeriums. In der Praxis würde das bedeuten, daß z.B. Beispiel auch Aufrufe zu einer friedlichen Sitzblockade vor einem Pershing–Depot als Wiederholungsfall eines gesetzwidrigen Verhaltens gewertet würden, und die Gelder aus Bonn wären ein– für allemal futsch. An diesen Geldern aus dem Bundesjugendplan hängt jedoch für die meisten Verbände die Existenz. „Der Aufruf zum Volkszählungsboykott ist nur eine Ordnungswidrigkeit. Theoretisch müßte uns jetzt die Förderung gestrichen werden, wenn wir mit unserem VW–Bus falsch parken und dafür ein Bußgeld bekommen. Das wär ein Wiederholungsfall“, meint ein Sprecher eines anderen Verbandes. Ob ein genereller Ausschluß aus dem Kreis der förderungsfähigen Verbände überhaupt von Bonn aus juristisch möglich ist und ob die bisher dafür vorgetragenen Gründe dafür ausreichen, bezweifeln die Jugendverbände. Aber, so heißt es auch, für einen langwierigen Rechtsstreit fehlt den meisten Organisationen einfach das finanzielle Polster.

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