: „Pfui Teufel, Herr Minister“
■ Pressestimmen zu den Reaktionen von Zimmermann und Strauß auf Blüms Chile–Besuch
Frankfurter Rundschau: CSU–Chef Strauß spricht von einem Skandal, weil Blüm seinem Kollegen in den Rücken gefallen sei. Der wirkliche Skandal ist die Wurstigkeit, mit der die Union jahrelang darüber hinwegging und Strauß mit seinen Freunden heute noch verdrängt, daß in Chile von staatswegen immer weiter gemordet und gefoltert wird. Dafür fehlt dem Staatsmann aus Bayern offensichtlich das Organ. Anders als Blüm, der sehr forsch die CDU als Menschenrechtspartei in den Vordergrund schiebt, war Strauß hochgeschätzter Ehrengast bei Pinochet. Das haftet womöglich. Kölner Stadt–Anzeiger: An demselben Tag, an dem Geißler Beweise für die Folterungen dokumentiert, wiederholt der Sprecher Innenminister Zimmermanns, es gebe keine Entlastungsgründe für die umstrittenen chilenischen Häftlinge. Zimmermann beruft sich noch immer auf einen Bericht der Deutschen Botschaft in Santiago vom 8. Mai. Aber eben der ist nach Auskunft des Auswärtigen Amtes durch jüngere Berichte - die dem Innenminister ebenfalls vorgelegt worden sind - überholt. Ist es vorstellbar, daß Zimmermann die Dokumente je nach politischem Bedarf zitiert oder vergißt? Dann läge in der Tat ein Skandal vor - ein anderer als Strauß meint. Trierischer Volksfreund: Will Strauß nicht wahrhaben, daß in Chile seit dem Mord von Militärputschisten an dem freigewählten Staatspräsidenten Allende vor nunmehr 14 Jahren unentwegt von staatswegen gemordet, gefoltert und schwerste Menschrechtsverbrechen begangen werden? Streicht er aus seinem politischen Bewußtsein - und schlimmer noch - aus seinem Gewissen die Tausenden an Toten, Verschleppten, unter barbarischer Behandlung eingekerkerten politischen Häftlinge, ja den systematisch aufgezogenen Staatsterrorismus, für den der General Pinochet der Hauptverantwortliche ist? Wer Blüm angreift, weil dieser die Menschenrechtsverletzungen eines Unrechtsstaates verurteilt (...), stellt sich (...) indirekt an die Seite Pinochets. Abendzeitung (München): Empörung ist eine Emotion. Die hat, sagt Zimmermann angesichts seines über ein westliches Folterregime empörten Kollegen, in der Politik nichts zu suchen. Das ist umso perfider, als er im gleichen Atemzug versucht, beim Publikum Emotionen aufzuwühlen und die chilenischen Regimegegner, nach sieben Jahren noch nicht verurteilt, als „Mörder“ bezeichnet. (...) In der politischen Auseinandersetzung ist viel zu ertragen. Aber wenn der Verfassungsminister unserer Republik kalten Blutes öffentlich eine solche Vorverurteilung ausspricht, kann man sich gewisser Emotionen kaum erwehren. Pfui Teufel, Herr Minister.
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