: Irland: Außer Spesen nix gewesen
■ Auf der grünen Wiese oder an alten Industriestandorten verschafft die irische Regierung multinationalen Konzernen optimale Produktionsbedingungen Der volkswirtschaftliche Nutzen ist bisher gering, die Kosten dafür horrend / Der Leerstand macht aus den Vorzeigeprojekten moderne Spukschlösser
Von Ralf Sotschek
Der Snugboro–Industriepark in Dublins Vorort Blanchardstown erinnert an einen Science–Fiction– Film: die futuristischen Gebäude stehen leer, Fenster und Türen sind geschlossen und versiegelt. Ab und zu heult eine Alarmsirene, die wahrscheinlich vom Wind ausgelöst wurde. Regelmäßig tauchen Gruppen von uniformiertem Wachpersonal auf und verschwinden mit ihren Hunden wieder im Gewirr der Fabrikgebäude. Nur in einer Ecke des riesigen Geländes wird noch gearbeitet. Der Industriepark ist ein Monument für den Traum der irischen Regierung, multinationale Konzerne mit Hilfe von Steuererleichterungen und Investitionszuschüssen nach Irland zu locken. Die Regierung ließ den Industriepark Anfang der achtziger Jahre für 80 Millionen Mark bauen. Man erhoffte sich Tausende von Arbeitsplätzen für Irland, dessen offizielle Arbeitslosenzahl bei 20 Prozent liegt. Allerdings ist diese Zahl sogar beschönigt, da viele Arbeitslose in der Statistik gar nicht erscheinen, z.B. verheiratete Frauen und Leute, die für ein Jahr in ABM–Stellen und Weiterbildungsprogrammen untergebracht sind. Die optimistischen Erwartungen mußten schon bald begraben werden. Bereits 1981 zog sich die US–amerikanische Computer– Firma „Trilogy“ aus dem Vertrag zurück, noch bevor die Fabrik für 40 Millionen Mark in Snugboro überhaupt eröffnet wurde. Es gelang bis heute nicht, eine andere Firma dort anzusiedeln. Ein weiterer US–Multi, „Mostek“ (United Technologies), schloß 1985 seine Tore. Fünf Jahre vorher hatte Irland 120 Millionen Mark Steuergelder investiert, nachdem „Mostek“ 800 Arbeitsplätze versprochen hatte. Das Versprechen wurde jedoch nur zur Hälfte er füllt. Im letzten Juni gab es wieder eine Firmenschließung in Snugboro. Der Gabelstapler–Hersteller „Hyster“ erklärte den verblüfften Arbeitern, die zur Frühschicht erschienen waren, daß die Firma seit Mitternacht aufgelöst sei. Die drei Direktoren hatten Irland bereits verlassen. Nun kam die Fabrikschließung für Experten keineswegs unerwartet, auch wenn „Hyster“ jahrelang das Gegenteil beteuert hatte. Die Firma stand in dem zweifelhaften Ruf, immer wieder das Buhlen verschiedener Länder um arbeitsintensive Unternehmen schamlos ausgenutzt zu haben. So hat „Hyster“ den Vertrag mit Irland 1982 schnell noch dazu genutzt, der US– Regierung zehn Millionen Dollar Subventionen zu entlocken - für Arbeitsplätze, die andernfalls im Ausland geschaffen würden. An ihrem Hauptsitz Portland (Oregon) war „Hyster“ weniger er folgreich. Die Behörden des Bundesstaates lehnten den Antrag auf staatliche Unterstützung ab, worauf „Hyster“ kurzerhand das Werk schloß. Ein Jahr später gab es erneuten Ärger für die Subventions–Jäger. Ein holländisches Gericht drohte „Hyster“ mit einer hohen Strafe, falls die Firma einen Teil der Produktion wie geplant nach Schottland verlegen und ein Drittel der holländischen Arbeitskräfte entlassen würde. In Irland hat „Hyster“ sein Meisterstück geliefert. Noch im Mai 1985 sollte in Limerick in Westirland ein zweites Werk mit 800 Arbeitsplätzen eröffnet werden. Die Auseinanderstzungen um die staatliche Finanzierung führten schließlich zu einer Regierungskrise, da Industrieminister Bruton und die (ihm unterstehende) Industrieansiedlungsbehörde öffentlich ihren Streit darüber austrugen, inwieweit das Projekt erfolgversprechend sei. Der Minister lehnte am Ende die Subventionen ab, da „Hyster“ die inzwischen auch in Irland üblichen Garantien schlicht verweigerte. Zwei Jahre später schloß „Hyster“ nun sein Hauptwerk in Irland, nachdem Investitionszuschüsse und Steuererleichterungen bis zum Anschlag erschöpft waren. Die 240 Arbeiter, die zum großen Teil nach Blanchardstown in die Nähe ihres Arbeitsplatzes umgezogen waren, besetzten daraufhin die Fabrik, um zu verhindern, daß die wertvollen Maschinen bei Nacht und Nebel abtransportiert würden. „Hyster“ war dies allemal zuzutrauen: die Firma zahlte unverschämt niedrige Löhne, Gewerkschaften waren nicht zugelassen. Nach neun Tagen gaben die Arbeiter die Besetzung auf, weil ihnen große Abfindungen in Aussicht gestellt wurden. Seitdem hat sich auch diese Hoffnung zerschlagen. Mehr als das gesetzlich vorgeschriebene Minimun wird nicht bezahlt. Unter dem Strich bleiben für die irischen Steuerzahler Kosten von über 200.000 Mark pro (ehemaligem) Arbeitsplatz - soviel verdient ein Arbeiter in zehn Jahren nicht. Einzig die US–Firma E.G.&G., die wissenschaftliche Instrumente herstellt, produziert noch in Snugboro. Allerdings beschäftigt sie nur 120 Menschen. Nicht viel, wenn man bedenkt, daß 4.000 Arbeitsplätze versprochen wurden, als es um die Vergabe der staatlichen Zuschüsse ging. Die irische Regierung behauptet weiter unverdrossen, daß der Snugboro–Industriepark in den nächsten zwanzig Jahren Dublins Hochtechnologie–Zentrum sein wird. Die bisherigen katastrophalen Mißerfolge machen offensichtlich keinen Eindruck. Ein Regierungssprecher betont: „Diese Firmen arbeiten in einem sehr risikoreichen Sektor. Sie müssen Fehlschläge einstecken - und wir auch“.
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