Waffen–Deal über Strauß zu Pinochet

■ Strauß–Abgesandter fädelte 1982 in Chile ein Waffengeschäft ein / MBB lieferte Hubschrauber

Von Michael Rediske

Berlin (taz) - Die freundschaftlichen Verbindungen zwischen Franz Josef Strauß und dem chilenischen Militärregime haben sich auch im Einfädeln von Waffengeschäften bewährt. Der Brief eines chilenischen Geheimdienstlers, den die Zeitschrift Analisis jetzt in Santiago veröffentlicht hat, belegt, daß ein namentlich nicht genannter Strauß–Vertrauter im Juni 1982 in die chilenische Hauptstadt reiste und sich mit Pinochet traf und bei der Gelegenheit dem Luftwaffenchef Matthei ein Angebot des Münchener Rüstungskonzerns Messerschmitt–Bölkow– Blohm (MBB) überreichte: ein Waffengeschäft „mit politischer Garantie“. In dem Brief ist die Art des „Materials“, das über Drittländer nach Chile transportiert werden sollte, unleserlich gemacht. Doch der anvisierte Umweg über andere Länder und die Warnung, „alles, was offiziellen Charakter haben könnte, zu vermeiden“, machen deutlich, daß es sich um ein Waffengeschäft handelt. Eine „vermittelnde Struktur“ sollte geschaffen werden, in der MBB nicht auftauchen sollte, „da die Entscheidungen viel höher angesiedelt sind“. Der Autor des brisanten Briefes, dessen Seiten jeweils mit dem Vermerk „Bitte vernichten“ versehen sind, hatte schon einmal mit Strauß zu tun: Er organisierte 1976 dessen Reise zu Pinochet. Adressat des Schreibens: Oberst Jorquera, ein enger Vertrauter des damaligen Geheimdienstchefs General Manuel Contreras. Der Chef der Münchener Staatskanzlei Edmund Stoiber hat zwar gestern Meldungen über eine Straußsche Beteiligung an Waffenlieferungen als „böswillige Erfindungen oder Fälschungen“ zurückgewiesen. Fortsetzung auf Seite 2 Dokumentation auf Seite 5 Siehe auch Bericht Seite 2 Zugleich bestätigte er jedoch, daß MBB nach eigenen Angaben „von 1977 bis 1987 14 unbewaffnete Hubschrauber des Typs BO–105“ mit Genehmigung der jeweiligen Bundesregierung geliefert hat. Tatsächlich sind elf BO–105– Hubschrauber bei Chiles berüchtigter kasernierter Polizeitruppe, den Carabineros, gelandet. Nach Auskunft von Fachleuten sind militärische und zivile Version des Hubschraubers leicht austauschbar. In einem Interview mit der internationalen Militärzeitschrift „Tecnologa Militar“ bekundete Chiles Luftwaffenchef Matthei im März 1986 sein „großes Interesse“ an einer Lizenzproduktion der MBB–Hubschrauber für die Zwecke „Abschuß, Suche und Rettung“. Als vorläufigen Bedarf nannte Matthei in diesem Interview 20 bis 30 - eine Zahl, die mit den Informationen von Monica Gonzalez, der Autorin des vorgestern in der Zeischrift „Analisis“ erschienen Berichts übereinstimmt: Nach ihren Informationen bereitet sich die chilenische Luftwaffe derzeit darauf vor, etwa 30 mit Maschinengewehren bestückte Hubschrauber dieser Art zusammenzubauen. Um die Lizenzproduktion geriet die chilenische Rüstungsfirma „Industrias Cardoen“ in Streit mit MBB. Obwohl ein geplanter Ver trag über einen Nachbau an finanziellen Problemen gescheitert war, stellte Cardoen letztes Jahr auf einer Luftfahrtausstellung in Santiago das verkleinerte Holzmodell eines billigen Kampf–Hubschraubers vor, das dem BO–105 von MBB so sehr ähnelte, daß MBB das Chile–Modell als „abgekupfert“ bezeichnete und dem bisherigen Vertragspartner mit einer Klage drohte. Doch die Suppe hatten sich die deutschen Rüstungsexporteure selbst eingebrockt: Einer der BO–105 war den Chilenen nämlich in Einzelteilen und zusammen mit Konstruktionsplänen geliefert worden. Dennoch halten es Fachleute für kaum wahrscheinlich, daß das unerfahrene chilenische Unternehmen Cardoen in der Lage ist, den Hubschrauber ohne fremde Hilfe herzustellen. Die Unterstützung dafür kommt vermutlich aus einem Land, das den MBB–Hubschrauber auch schon bezogen hat: Südafrika. Dessen staatlicher Rüstungskonzern Armscor hat nämlich eine Kooperationsvereinbarung mit Cardoen geschlossen. Auch die CSU–nahe Hanns– Seidel–Stiftung ist laut Analisis mit von der Partie. Der Brief des Geheimdienstlers Lipthay erwähnt neben dem Waffengeschäft auch ein „Projekt politischer Kooperation zur Ausbildung von Führungskräften“. Laut Analisis kamen Gelder und Pläne dafür über Kanäle der Hanns–Seidel– Stiftung nach Chile.