Streikbruch dank VW–Betriebsrat

■ Volkswagen–Vorstand unterläuft den Streik der mexikanischen VW–Arbeiter / Im Kasseler Werk Baunatal werden Sonderschichten gefahren / Produktion von „Hilfsrahmen“ für Volkswagen–Mexiko / Deutsche Gewerkschafter fürchten um eigene Arbeitsplätze

Von Wolfgang Lieberknecht

Kassel (taz) - Die Volkswagen– Geschäftsleitung läßt in ihrem Baunataler Werk nahe Kassel mit Zustimmung einer Betriebsratsmehrheit Streikbrecherarbeit durchführen. Der Hilfsrahmen, ein Serienteil für den Motorrahmen des Marktrenners Audi 80, das infolge des bereits mehr als fünf Wochen dauernden Streiks in Puebla nicht mehr von VW–Mexiko zugeliefert werden kann, wird ab dieser Woche in Baunatal in drei statt bisher in zwei Schichten gefertigt. Der Betriebsratsvorsitzende des Baunataler Werkes, Karl– Heinz Mihr, hatte das erste Ansinnen der Geschäftsleitung, die Produktion zu erhöhen, im Juli damit zurückgewiesen, daß dies Streikbrechertätigkeit sei. Während seiner Abwesenheit aber stimmte der Betriebsrat der Produktionsausweitung zu. Betriebsratssprecher Rudi Stassek: „Der Betriebsrat hat zugestimmt, daß 13 Kollegen zusätzlich in der Hilfsrahmenproduktion eingesetzt werden. Er hat damit - wenn man so will - Streikbrechertätigkeit zugestimmt, wenn auch andere Gründe für die Zustimmung maßgebend gewesen sind. Der Zeitpunkt der Produktionsausweitung stimmt allerdings zeitlich mit dem Streik in Mexiko überein.“ Der Sprecher von Volkswagen, Witzel, bestätigte, daß „wir in der Tat Hilfsrahmen für den Audi 80 und den Passat sowie Teile für den Golf und Jetta im Rahmen unseres weltweiten Produktionsverbundes aus Mexiko kriegen“. Im Moment sei aber „das Hochfahren der Parallelproduktion in der Bundesrepublik noch nicht nötig“. Witzel weiter: „Wir haben trotz des Produktionsstillstandes keine Probleme mit der Versorgung, weil die Lager vorsorglich - als wir den Streik absehen konnten - von uns gefüllt worden sind.“ Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Auf den Vorhalt, daß in Baunatal die Produktion des Hilfsrahmens von zwei auf drei Schichten ausgeweitet worden ist, erklärt der VW– Mann: „Und was ist daran schlimm? Sollen wir denn hier Kapazitäten, die wir zur Verfügung haben, nicht laufen lassen? Wir produzieren in einem weltweiten Fertigungsverbund und wenn wir Möglichkeiten sehen, Engpässe zu vermeiden, wären wir doch schlechte Betriebswirtschaftler, wenn wir das nicht täten“. Was für den VW–Sprecher nicht schlimm ist, könnte sich - so Betriebsratssprecher Rudi Stassek - für den Betriebsrat „möglicherweise als peinliche Sache erweisen“. Der Kasseler Betriebsrat und die betroffenen Arbeiter hatten sich seit etwa vier Jahren dagegen gewehrt, daß die Produktion des Hilfsrahmens von Baunatal in das VW–Werk Hannover verlegt wird, weil dort wegen der flauen Transportproduktion zusätzliche Arbeit gesucht wurde. Die VW– Geschäftsleitung hatte dann in diesem Jahr diesen Streit zwischen den beiden Werken so entschieden, daß der ganze Fertigungsblock Hilfsrahmen „aus Kostengründen“ nach Mexiko verlagert und zur Montage in die BRD zugeliefert wird. Der Betriebsrat hatte keine rechtliche Handhabe, dies zu verhindern, sondern konnte nur eine „weiche Landung“ durchsetzen. Im Juni wurde zuerst die - jetzt wieder eingesetzte - dritte Schicht eingestellt. Die Arbeiter wurden in andere Abteilungen versetzt. Im Herbst sollte die Produktion des Hilfsrahmens in Baunatal dann ganz auslaufen. Der Betriebsrat fühlt sich nun nachträglich in seinen Argumenten gegen die Verlagerung bestätigt: „Wenn die Geschäftsleitung jetzt Ärger mit der Auslandsproduktion hat, bekräftigt das nur unsere Argumente, das VW mehr in der Bundesrepublik hätte investieren sollen und nicht so sehr im Ausland. Auch hier gibt es Arbeitslose und Kinder von Werksangehörigen, die hier arbeiten wollen“. Obwohl die Produktionsausweitung den Streik der mexikanischen VW–Arbeiter (die pro Tag rund 15 Mark verdienen, also erheblich weniger als die bundesdeutschen VW–Arbeiter in einer Stunde) nach Angaben des Betriebsrats–Sprechers „wohl unterlaufe“, will der Betriebsrat seine Zustimmung zur Produktionsausweitung nicht zurückziehen. Dort verbucht man es als Erfolg, daß die Hilfsrahmenproduktion nicht nur während des Streiks in Mexiko, sondern bis zum Sommer nächsten Jahres in Baunatal in drei Schichten weiterlaufen soll.