: IG Bergbau drängt SPD auf Atomkurs
■ Bergbaugewerkschaft will klare Unterstützung der SPD für den Abschied vom Ausstieg / Ruhrkohle–Betriebsrat verlangt von Rau „praktische Hilfe“ / Lafontaine–Äußerung „verhängnisvoll“
Von Walter Jakobs
Düsseldorf (taz) - Die nordrheinwestfälische Landesregierung wird immer offensiver von der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE) bedrängt, von den Nürnberger Parteitagsbeschlüssen abzurücken und dem von der IGBE vorgelegten „Überbrückungskonzept“ zur Lösung der Kohlekrise zuzustimmen. Wie berichtet, sieht das Konzept vor, den Kernenergieanteil bis 1995 zugunsten der Kohle zurückzufahren. Danach, so heißt es in dem Beschluß der IGBE, könne der Kernenergieanteil „parallel wieder wachsen“. Mit dieser Strategie soll die Schrumpfung des Bergbaus von 160.000 auf 135.000 Beschäftigte begrenzt werden. Läuft die Entwicklung ohne politische Interventionen weiter, befürchtet die IGBE den Verlust von mehr als 60.000 Arbeitsplätzen. Der Betriebsratsvorsitzende der Ruhrkohle AG, Klaus Hüls, hat jetzt in einem Brief an Rau „praktische Hilfe“ bei der Realisierung des Konzeptes verlangt. „Mit dem Hinweis auf papierne Beschlüsse zur Energiepolitik“ könnten die Arbeitsplätze im Bergbau „nicht gesichert werden“. Scharf ging Hüls in dem Brief an Rau dessen Parteifreund Oskar Lafontaine an. Der hatte zu dem Konzept erklärt, daß ein Kernenergiezubau nach 1995 „nicht im Interesse der Kohle“ liege und „nicht Auffassung der SPD“ sei. Sollten diese Äußerungen von Lafontaine „das letzte Wort der SPD zum Überbrückungskonzept“ sein, würde dies, so SPD–Mitglied Hüls an Rau, in NRW „zu einer verhängnisvollen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung führen“. Ähnlich hatte vor ein paar Tagen die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU, Christa Thoben, getönt. Frau Thoben begrüßte das Überbrückungskonzept und forderte von der SPD den Abschied von Nürnberg. Die SPD „würde sonst tatsächlich die Interessen des Landes verraten“. CDU und IGBE Hand in Hand? Noch nicht ganz, aber freundliche Artikel über Blüm und deutliche Mahnungen an Rau mehren sich in der IGBE–Zeitschrift Einheit. „Blüms Chance“, so hieß es jüngst in einem Leitartikel, „liegt also in der Unfähigkeit der SPD zur Kooperation mit Bonn.“ Und Rau? Dessen Erklärung zum Überbrückungskonzept sagt zur eigentlichen Kontroverse nichts aus. Schon die Überschrift - Rau „einig“ mit IGBE - ist falsch, denn Rau ist nur mit Teil 1 des Konzeptes einverstanden, zu Teil 2 schweigt er sich aus. Rau: „Die Sicherung der Kohle kann daher nur durch Reduzierung des Kernenergieanteils erreicht werden.“ Lange kann Rau zum geforderten späteren Ausbau nicht mehr schweigen. Derzeit verteilt die IGBE in Millionenauflage eine Bürgerzeitung, in der das Konzept propagiert wird, und am Montag beginnt in Gelsenkirchen die erste von mehreren Großdemonstrationen der Bergleute. Außer Arbeitsminister Heinemann (SPD) wird auch Norbert Blüm sprechen. Kaum anzunehmen, daß der sich die Chance entgehen läßt, von der gespaltenen SPD zu profitieren.
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