: Später Versuch im Veltlin–Tal
■ Der See, der 20 Dörfer bedroht, soll jetzt „kontrolliert“ überlaufen / Umweltschützer: Zu spät gehandelt
Sondrio (dpa/afp) - Im norditalienischen Veltlin–Tal hat am Wochenende der heftig umstrittene Versuch begonnen, aus dem Valpola–See das Wasser „kontrolliert“ abfließen zu lassen. Der See hatte sich im Juli nach einem Erdrutsch gebildet und bedroht seitdem 20 Gemeinden. Insgesamt wurden 27.000 Menschen evakuiert. Durch künstlich herbei geführte Zuflüsse in den See erreichte das Wasser am Sonntag die Dammhöhe und fließt seitdem langsam talwärts in Richtung des Flusses Adda. Der Damm, der sich erst vor wenigen Wochen gebildet hat, ist mehrere hundert Meter breit, talwärts rund 130 Meter hoch und hat hier ein Gefälle von etwa zehn Grad. Der italienische Zivilschutzmitiner Remo Gaspari hatte am Samstag die Entscheidung für einen „kontrollierten Abfluß“ der bedrohlichen Wassermassen getroffen, obwohl Kritiker vor nicht absehbaren Folgen warnten. Insbesondere wurde befürchtet, daß der breite natürlich Wall unter dem Druck des ansteigenden Wassers brechen könnte. Fortsetzung auf Seite 2 Reportage auf Seite 7 Eine Masse von Schlamm und Geröll würde dann das bei Touristen beliebte Tal mit seinen Dörfern zerwüsten. Nach der Entscheidung Gasparis waren am Samstag die Schleusen eines Kraftwerk–Staubeckens geöffnet worden, die oberhalb des natürlichen Sees im Adda–Tal liegen. Das überfließende Wasser sollte in einem 50 Meter breiten und drei Meter tiefen Kanal einfließen, der in den letzten Tagen am Fuße des Damms gegraben worden war. Der Zivilschutzminister sagte am Sonntag: „Alles läuftz wie vorgesehen, aber das Risiko bleibt.“ Damit war offenbar zunächst vor allem die Gefahr gemeint, daß das wasser nicht im vorgesehen Kanal fließt, sondern sich andere Richtungen sucht. Wegen seiner wochenlangen Untätigkeit hatten die Kommunisten und die Grünen in Rom und Mailand in diesen Tagen mehrfach den Rücktritt Gasparis verlangt. Südlich des Pola–Sees, wo in den vergangenen Tagen 27.000 Menschen aus 20 Dörfern evakuiert werden mußten, wurde am Samstag nachmittag der „rote Alarm“ ausgerufen. Die Bürger, die sich noch in der Gefahrenzone befanden, wurden über Lautsprecher aufgefordert, sich zu entfernen. Bei der Evakuierung gab es Proteste und vereinzelt auch physischen Widerstand. Unter dem „verfluchten See“ liegt das Dorf, das im Juli bei dem verheerenden Erdrutsch verschüttet wurde.
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