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Kohl: Dummes Gerede kam nicht an

■ Die Wahlen in Schleswig–Holstein und Bremen zeigen vor allem Wirkung in Bonn: In der Union spitzte sich der Streit zu / Die Grünen beschimpfen sich gegenseitig als Stalinisten und flache Analytiker / Barschel kann rein rechnerisch in Kiel mit der FDP weiterregieren

Bonn, Berlin (dpa/taz) - Die Wahlergebnisse in Schleswig– Holstein und Bremen haben vor allem bundespolitische Auswirkungen. In beiden Bundesländern werden die derzeitigen Regierungschefs im Amt bleiben können, allerdings hat die CDU in Schleswig–Holstein ihre absolute Mehrheit verloren. Sie hat zusammen mit der FDP, die sich sofort zur Koalition bereit erklärt hat, 37 Landtagssitze. Die SPD verfügt über 36 Mandate, ein Sitz geht an Karl–Otto Meyer vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW). Meyer hat bereits angekündigt, daß die Regierung nicht „von den Gnaden des SSW abhängig ist“. In Bremen gelang der rechtsradikalen DVU der Einzug ins Parlament. Die Grünen haben den Einzug ins schleswig–holsteinische Landesparlament nicht geschafft. Das hat vor der Presse in Bonn zu einer scharfen Auseinandersetzung zwischen realpolitischer Minderheit und linker Mehrheit im Bundesvorstand der Grünen geführt. Während Jutta Ditfurth die Analyse der Realos, die den Linken die Schuld am schlechten Abschneiden gab, als „flach“ bezeichnete, warf Brigitte Berthold ihr „stalinistische Praxis“ vor. Fortsetzung und Bericht über die Grünen auf Seite 2 Tagesthema Seite 3 Analysen auf Seite 5 In den Unionsparteien spitzen sich in Bonn und München die Auseinandersetzungen zu. Strauß meinte auf einer Pressekonferenz, die „Lagertheorie“ Heiner Geißlers, nach der Unionsparteien und FDP ein Lager bildeten, SPD und Grüne das andere, sei „zusammengebrochen“. Er forderte deswegen einen Kurswechsel. Die CSU, so Strauß, erwarte jetzt von der CDU, „frei von resignativer Harmonie“ die ganze politische Landschaft zu beleuchten. Selbstverständlich besetze die Union die Mitte und binde damit auch linkere WählerInnen ein, aber auf jeden Fall müsse sie auf der Rechten „den Raum bis zum Rande des demokratischen Spektrums, aber keinen Millimeter darüber hinaus“ abdecken. Strauß sagte, die Unionsparteien hätten jetzt „nichts mehr zu verlieren, wenn wir in der Bundesrepublik auch weiterhin die Geschicke unseres Staates und der Nation bestimmen wollen“. Strauß forderte als Konsequenz des Wahlergebnisses eine unionsinterne Klärung des künftigen Kurses vor allem bezüglich der neuen Sicherheitsgesetze. Deshalb müsse die für den 18.9. geplante Koalitionsrunde verschoben werden. Bundeskanzler Kohl hat, nach mehrstündigen Beratungen von Bundesvorstand und Präsidium seiner Partei, auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Gerhard Stoltenberg und Uwe Barschel in Bonn wiederholt, daß in den letzten Wochen „viel Unnötiges, Dummes und Schädliches“ gesprochen worden sei, „das hat der Wähler übelgenommen“. Er wertete die Wahlergebnisse als „Denkzettel“, aus dem die Unionsparteien vor allem den Schluß ziehen müßten, den Stil der Auseinandersetzung zu mildern. Der Streit müsse sich „zum Positiven“ wenden, die zum Teil „unerträglichen Formulierungen“ müßten verschwinden. Es sei sowohl wichtig, den Wählerstamm der Union „pfleglich zu behandeln“, als auch zu versuchen, neue Wähler zu gewinnen. Kohl warnte die FDP davor, jetzt zu tun, was ihr passe: „Es gibt hier keine Trennung zwischen denen, die die Sahne haben, und den anderen mit der Magermilch.“ Der FDP–Vorsitzende Bangemann äußerte in Bonn seine Zufriedenheit über das Abschneiden der FDP. Damit sei 1987 das „Jahr der Liberalen“, die „staatspolitische verantwortliche Haltung“ seiner Partei habe sich ausgezahlt. Die FDP könne jetzt noch energischer die Steuerreforn anpacken. Glücklich zeigte sich die SPD mit den Wahlergebnissen, obwohl es ihr nicht gelungen ist, die schleswig–holsteinische Regierung abzulösen. Hans–Jochen Vogel konstatierte, daß die SPD die Talsohle überwunden habe und Bundesgeschäftsführerin Anke Fuchs freute sich über die „glänzenden Ergebnisse“, die darauf zurückzuführen seien, daß die SPD keine „schädliche Nabelschau“ betrieben habe. Uneinig waren sich die Parteien in Bonn über das Abschneiden der rechtsradikalen Gruppierungen. Während Anke Fuchs das Ab schneiden der DVU als „alarmierend“ bezeichnete, stellte Kanzler Kohl fest, er könne keine Anzeichen für einen wachsenden Rechtsradikalismus in der BRD sehen.

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