Neue Pfeifftöne gegen Barschel

■ Weitere Enthüllungen des Ex–Barschel–Mitarbeiters Pfeiffer gegen den (Noch–) Ministerpräsidenten Schleswig–Holsteins / Krisensitzung bei der CDU / Regierung dementiert Gerüchte über Barschel–Rücktritt / Pfeiffer sollte Unabhängige Wählergemeinschaft aufmischen

Aus Kiel Tom Janssen Schleswig–Holsteins durch die Wahl angeschlagene CDU–Fraktion konnte gestern das sonnige Herbstwetter über der Kieler Förde nicht genießen. Stattdessen war Krisensitzung angesagt, denn der ehemalige Mitarbeiter des CDU–Ministerpräsidenten Reiner Pfeiffer gab weitere „dirty tricks“ gegen CDU–Widersacher zu Protokoll. Für Dienstag abend kündigte Pfeiffer eine Aussage vor der Lübecker Staatsanwaltschaft an, die gegen ihn wegen einer Barschel–Anzeige ermittelt. Barschel klagte gegen Pfeiffer, weil dieser ihn gegenüber dem Spiegel beschuldigt hatte, unter anderem die Bespitzelkungs–Aktion gegen den SPD–Oppositionschef Björn Engholm angezettelt zu haben. Gegenüber dpa erklärte Pfeiffer gestern, daß er im Auftrag Barschels in der UWSH (Unabhängige Wählergemeinschaft Schleswig–Holsteins) interveniert habe, um für Verwirrung zu sorgen. Die UWSH war vor allem im Landkreis Dithmarschen über CDU– Dissidenten zu einer direkten Bedrohung für die regierenden Christdemokraten geworden. Mittlerweile hat der frühere Pressesprecher der UWSH, Eckard Stolzenburg, Strafantrag wegen einer „Zersetzungskampagne“ gegen Barschel und Pfeiffer gestellt. Die Lübecker Staatsanwaltschaft bestätigte, wegen Nötigung, Beleidigung, Verleumdung und übler Nachrede zu ermitteln. Ein weiteres Ex–UWSH Mitglied, der stellvertretende UWSH–Vorsitzende Professor Emil Schlee, bestätigte inzwischen Pfeiffers Darstellung, durch die Barschel– Intrige aus der UWSH gedrängt worden zu sein. Dafür hatte Barschel Pfeiffer Material über die rechte Vergangenheit von UWSH–Funktionären zugespielt, die dieser dann benutzt habe, um „zu spalten“. Schon länger wurde in politischen Kreisen Schleswig– Holsteins gemunkelt, daß die Christdemokraten eine regelrechte „Erpressungskampagne“ gegen UWSH–Mitglieder entfacht hätten, wobei sie ihr Wissen um deren Karrieren und deren Amtsführung als CDU–Mandatsträger benutzten. Der UWSH–Vorsitzende Guldager hat die Beschuldigungen als „glatte Lüge“ zurückgewiesen. Fortsetzung auf Seite 2 Barschel hielt sich auch diesen Anschuldigungen bis Redaktionsschluß gegenüber bedeckt und ließ durch seinen Regierungssprecher erklären, „alle noch offenen Fragen nach Kenntnis sämtlicher Vorwürfe im Untersuchungsausschuß und im Zuge der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen“ zu beantworten. Kurz vor Redaktionsschluß wurde Finanzminister Stoltenberg nach Kiel eingeflogen. Die Kieler Landes–Regierung mußte gestern nachmittag Gerüchte um einen möglichen Rücktritt des Ministerpräsidenten Uwe Barschel dementieren. Ein Regierungssprecher sagte, bisher gebe es keinerlei Anzeichen für einen Rücktritt des Ministerpräsidenten. Er könne all diese Gerüchte „klar dementieren“. Das ZDF hatte am Dienstag berichtet, nach seinen Informationen seien während einer Krisensitzung der CDU–Fraktion am Dienstag kritische Stimmen gegen Barschel laut geworden. Auch ein Rücktritt des Ministerpäsidenten werde nicht mehr ausgeschlossen. Barschel selbst dementierte einen Rücktriitt am frühen Abend nachdrücklich. Die CDU–Fraktion Kiel hatte ihm das volle Vertrauen ausgesprochen.