: Wiener Krimi um Waffen für Iran
■ Meldungen über getarnte Waffenlieferungen des Staats–Konzerns Voest ziehen Kreise in die Vergangenheit / Mysteriöse Todesfälle / Waffenexportgesetz in Österreich umstritten / Haider (FPÖ): Exportverbot in Krisengebiete aufheben / Grüne: Totaler Waffenexportstop
Aus Wien Reinhard Engel
Der Skandal um den Waffenhandel der staatseigenen österreichischen Firma Voest mit dem Iran schlägt in der Wiener Innenpolitik weiterhin hohe Wogen. Noch vor Abschluß der Untersuchung über den illegalen Verkauf von 140 Kanonen an den kriegsführenden Iran, den Voest getätigt haben soll, sorgte das Unternehmen am Dienstag für neue Aufregung. Geplant sei die Lieferung einer Anlage zur Erzeugung von Kanonenrohren, so ein Sprecher des Stahlkonzerns. Innenminister Blecha erklärte am Mittwoch, daß die Regierung keinerlei Genehmigung für die Errichtung dieser Anlage erteilt habe, da kein Antrag von Voest vorgelegen habe. Er fügte hinzu, daß im Falle einer Antragsstellung eine solche Genehmigung an Voest nicht erginge. Ein Sprecher des Innenministeriums teilte dazu mit, daß nur Maschinen und Anlagen, die ausschließlich zur Erzeugung von Kriegsmaterial geeignet sind, einer gesetzlichen Bestimmung unterliegen. Nach Ansicht von Voest trifft dies beim geplanten Vorhaben jedoch nicht zu, da die Anlagen für den Iran auch für zivile Zwecke nutzbar seien. Hinter der aktuellen Auseinandersetzung schlummert ein Skandal von weitaus größerem Ausmaß. Am 1.September 1987 durchwühlten österreichische Wirtschaftspolizisten mit einem fri schen Untersuchungsbefehl die Firmenräume der Voest–Tochter Noricum, als unter ihren neugierigen Blicken ein Fernschreiben aus Teheran hereintickerte. Die Beamten waren auf der Suche nach Beweisen für verbotene Kanonenlieferungen von Noricum in den Iran in den Jahren 1985 und 1986. Als Bestimmungsorte für die 140 Kanonen waren Brasilien und Libyen angegeben worden. Voest hatte derartige Umweglieferungen in das Golfgebiet mehrfach dementiert: Auch nach österreichischem Recht sind Waffenlieferungen in Kriegsgebiete verboten. In seinem Fernschreiben vom 1.9.1987 ließ das Teheraner Verteidigungsministerium anfragen, wie schnell man Feuerleitsysteme für die Artillerie bekommen könne. Einer der anwesenden Noricum–Angestellten war so verblüfft, daß er - so die Beamten - „erstmals ein sehr weitreichendes Geständnis ablegte“. Nur wenige Tage später erfolgte dann die erste Verhaftung: Der ehemalige Noricum–Chef Peter Unterweger, der in den letzten Monaten immer noch als Konsulent für die Waffenschmiede arbeitete, wanderte hinter Gitter. Und obwohl das jetzige Management sowie die Voest–Bosse alle Schuld auf ihn allein abzuwälzen versuchen, rechnet man in Linz mit weiteren Festnahmen. Unter den Verdächtigen, die auf Gerichtsbeschluß telefonisch abgehört worden sind, befinden sich auch ein amtierender und ein ehe maliger Voest–Vorstand. Die österreichische Version von „Irangate“ war schon vor rund zwei Jahren bruchstückhaft in die Öffentlichkeit gelangt. Damals starb in Athen der dortige österreichische Botschafter und frühere enge Mitarbeiter Bruno Kreiskys, Herbert Amry, völlig überraschend nach einem Diplomatenempfang an einem Herzanfall. Auf einen Tip hin begann die Wiener Illustrierte Basta (eine Art Lederhosen–Stern) zu recherchieren. Sie fand heraus, daß Amry kurz vor seinem Tod mehrere dringliche Fernschreiben ans Wiener Außenamt geschickt hatte, man solle umgehend die Lieferung von Kanonen in den Iran stoppen. Regierungschef Fred Sinowatz schenkte allerdings den Dementis des damaligen Voest–Chefs Heribert Anfalter mehr Glauben. Die Kanonen seien für Libyen bestimmt. Der Wüstenstaat legte auch prompt ein Endabnehmerzertifikat vor. Allerdings gaben die Basta– Reporter nicht gleich auf: In einem jugoslawischen Hafen konnten sie offene Kanonen–Container fotografieren, mit beiliegenden Bedienungsanweisungen - in persischer Sprache. In Linz ermittelte die Staatsanwaltschaft kurz, das Verfahren wurde aber bald wieder eingestellt. Im Jänner 1986 stieß die Illustrierte noch einmal nach. Gernot Preschern, ein ehemaliger Manager der Voest–Handelstochter „Intertrading“, deren Riesenver luste Ende 1985 zur Absetzung des gesamten Vorstandes geführt hatten, gab - vorerst anonym - Details über den Waffendeal des Staatskonzerns preis. Noch– Kanzler Sinowatz reagierte mit „Medienskandal“. Wieder schien die Sache im Sand zu verlaufen. Im Juni 1987, Preschern war wegen vermuteter Untreue bei der Intertrading in der Schweiz verhaftet worden, vertraute er sich zwei Grünen Parlamentsabgeordneten an. Nun nahm sich erstmals ein unabhängiger Untersuchungsrichter der Materie an. Inzwischen hatte Noricum noch einmal versucht, eine Exportgenehmigung für weitere Kanonen nach Libyen zu bekommen. Diese wurde abgelehnt. Ein anderes Ansuchen für 300 Geschütze nach Brasilien genehmigten die Behörden. Allerdings war der Innenminister schon mißtrauisch geworden und ließ den österreichischen Botschafter in Brasilien nachfragen, ob es mit dem Geschäft seine Richtigkeit habe. Die Antwort war nein. Die Geschütze waren aber schon auf dem Weg in einen jugoslawischen Hafen. Iran–Geschäfte gaben die Stats– Manager auch jetzt noch nicht zu. Man habe die Kanonen gesetzeswidrig nach Libyen gesandt, dort seien noch Bestellungen offen gewesen. Dennoch spricht laut Untersuchungsrichter alles für den Bestimmungsort Islamische Republik Iran. Bankpapiere und Übernahmedokumente waren von Persern unterzeichnet worden. Kurz vor der Hausdurchsuchung dreht sich dann der Waffenkrimi noch um eine Spirale weiter. Der ehemalige Voest–Chef Apfalter starb in seinem Landhaus an Herzversagen. Zeugen haben ihn wenige Stunden vor seinem Tod in einer Autobahnraststätte mit einem - vermutlich französischen - Ausländer gesehen. Eine Obduktion ergab zwar keine Giftspuren, aber Apfalter hatte noch kurz vor seinem Tod kryptische Bemerkungen über „Hinrichtungskommandos“ gemacht, die von Libyen oder dem Iran gegen den gesprächsfreudigen Preschern ausgeschickt worden seien. Während jetzt die Gerichtsmühlen mahlen, ist in der politischen Öffentlichkeit das Waffenexportgesetz unter Beschuß geraten. Schon bisher war das Gesetz, das von Kreisky initiiert worden war, ein Hemmschuh für die Bemühungen der hiesigen Rüstungsschmiede gewesen. Die Fronten sind jetzt klar: Das bestehende Gesetz, „nach dem wir eigentlich nur in den Vatikan exportieren dürfen“ (ein konservativer Politiker) wird von rechts und links attackiert. FPÖ–Obmann Jörg Haider verlangt seine Aufhebung, Grüne und Jungsozialisten wollen den totalen Waffenexportstop. Kanzler Franz Vranitzky, der mit den rund 10.000 Arbeitsplätzen in der österreichischen Rüstungsindustrie argumentiert, verlautet, beides werde bleiben, das Gesetz und die Exporte.
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