: Irland subventioniert Giftseifen–Produktion
■ Quecksilber–Seife soll in die Dritte Welt exportiert werden / Industrieansiedlung um jeden Preis nimmt Schäden und Umweltbelastung in Kauf
Aus Dublin Ralf Sotscheck
Die halbstaatliche irische Behörde für Industrieentwicklung (IDA) hat bekanntgegeben, daß sie die Herstellung von quecksilberhaltiger Seife für den Export in Dritte–Welt–Länder mit zwei Millionen Mark subventionieren werde. Die Seife, die angeblich die Haut der Schwarzafrikaner heller macht, ist aus Gesundheitsgründen seit Jahren von der Euro– päischen Gemeinschaft verboten. Offenbar hat die IDA in Anbetracht der Rekordarbeitslosigkeit sämtliche Skrupel verloren. Die IDA hat der britischen Firma „W and E Products“ eine Fabrik auf einem Industriegelände 50 Kilometer südlich der irischen Hauptstadt Dublin zur Verfügung gestellt, wo die Produktion Anfang nächsten Monats beginnen soll. „W and E“ sind in Großbritannien als „viktorianisches Unternehmen“ berüchtigt: Gewerkschaften sind dort nicht zugelassen und Vorschriften für Arbeitssicherheit völlig unbekannt. Die Firma will ihre gesamte Produktion der umstrittenen Seife von Lancashire nach Irland verlegen. Bereits vor zwei Jahren hat „W and E“ Schlagzeilen gemacht, als die BBC einen Dokumentarfilm über die weiblichen Angestellten der Firma ausstrahlte, die wegen der Quecksilber–Absorption am Arbeitsplatz schwer erkrankt waren. Quecksilber–Jodid wird durch die Haut aufgenommen und verursacht Anämie, Mißgeburten und Nierenschäden. Aufgrund der öffentlichen Reaktion auf die Fernsehsendung hatte sich „W and E“ seitdem nach einer neuen Produktionsstätte umgesehen. In Irland fand die Firma jetzt offene Arme. Das Versprechen auf 35 Arbeitsplätze reichte aus, der IDA astronomische Subventionen zu entlocken, ohne daß der Aspekt der Gesundheitsgefährdung überhaupt in Betracht gezogen wurde. Ein Sprecher der IDA behauptete, die Frage sei nur von einer „kleinen Lobby“ aufgeworfen worden, der es gelungen sei, die Sache hochzuspielen. Für die IDA sei das nur ein „Geschäft mit einer höchst respektablen Firma“. Die Abgeordnete der konservativen Oppositionspartei „Fine Gael“, Mary Banotti, sieht das anders. Sie bezeichnete das Verhalten der IDA als nationalen Skandal und fragte: „Ist den Iren eigentlich gesagt worden, daß sie eine Industrie vor die Tür gesetzt bekommen, die sich für die Bevölkerung von Manchester als zu gefährlich erwiesen hat ?“ Der Finanzexperte von „W and E“, Michael Tattersall, war empört, daß sich Frau Banotti gleich an die Öffentlichkeit gewandt hat, ohne seine Firma zu konsultieren. Er hätte ihr nämlich beweisen können, daß die Seife seit 50 Jahren in Afrika verkauft würde und es bisher noch keine Beschwerden gegeben habe. „Und wenn die Vorwürfe wahr wären, hätten uns die Behörden Großbritanniens sicher nicht gestattet, weiterzuproduzieren“, behauptet Herr Tattersall allen Ernstes. Mary Banotti fragte außerdem, was mit dem Giftmüll geschehen würde, der bei der Produktion anfalle - Irland hat nämlich keine Sondermüll–Deponie. Ihre Sorge war jedoch unbegründet. Gestern gab die Regierung bekannt, daß „W and E“ eine Genehmigung erteilt worden sei, die Abfälle in das öffentliche Abwassersystem einzuleiten.
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